Warum Düssel-Flaneure keine Porsche-Fahrer sein wollen dürfen / Wie die Düssel eine der hässlichsten Straßen der Stadt unterquert / Und warum an der Feuerbachstraße mindestens ein toller Hecht im Wasser schwimmt.
Mein bester Freund P. schließt sein Klapprad am Düssel-Geländer an der Feuerbach / Ecke Brunnen an. „Alter, du glaubst nicht, was der Porschefahrer aus unserem Viertel jetzt für einen Aufkleber auf seinen Wagen geklebt hat!“
Mein Blick fordert seine Antwort, während wir unsere heutige Flanier-Etappe beginnen und auf der Feuerbachstraße den nicht asphaltierten Gehweg am Düsselrand Richtung Erasmusstraße entlang spazieren.
„Da steht drauf: Düsseldorf-Sylt, 2,5 Stunden. Wäre das ein Golf oder irgendeine Schrottkarre, würde ich sagen: Das ist ironisch gemeint. Aber wenn´s trotzdem ironisch gemeint sein sollte, dann müsste man sagen: Respekt, denn das wäre ja dann quasi eine Meta-Ebene.“
„Was für ein Poser!“, sage ich. „Wieder mal einer, der die Edel-Assi-Schickimicki-Bonzen-Klischees über unsere Stadt bestätigt, denen wir so gerne entgegen treten wollen. Vielen Dank auch! Und überhaupt: 2,5 Stunden!? Ich brauche ja allein bis Hamburg schon mindestens 3,5.“
P. zieht sein iPhone aus der Tasche. „Ich prüfe das mal eben.“ Kurz darauf präsentiert er das Ergebnis, mit mehr Details, als nötig wären: Luftlinie Düsseldorf-Sylt 419 Kilometer. Das schafft man laut Google mit einer Cessna 172 P in 2:05 Stunden, mit einem Airbus A320 in 31 Minuten. Entfernung mit dem Auto: 621 Kilometer. Google schätzt die Fahrtdauer auf 6:32 Stunden. „Ich war ja schlecht in Mathe“, sagt P., aber unser Porsche-Poser müsste schon eine Durchschnittsgeschwindigkeit von mehr als 240 Stundenkilometer durchziehen, um von hier in 2,5 Stunden in Sylt zu sein. Hätte er sich einen Mein-Schwanz-ist-25-Zentimer-lang-Aufkleber auf seinen Wagen gepappt, wäre das ungefähr genauso realistisch gewesen.“
„Sag mal, Klapprad-Coolio“, beginne ich in gespielter Empörung, „haben wir eigentlich kein besseres Thema als das einzige Porsche-Arschloch in eurem VW-Touran verseuchten Neubaughetto?“
P., der seit der Geburt seines ersten Kindes, dem Wegzug aus Berlin und der Rückkehr in seine Heimatstadt Düsseldorf einen Touran fährt (bzw.
seine Frau, die die Kinder in Kita und Grundschule bringt), winkt ab und schnuppert Richtung Papierfabrik, deren Mauern das andere Düsselufer begrenzen. „Riechst du was?“
Ich schnuppere ebenfalls – und schüttele den Kopf. „Die Anwohner, die sich immer wieder über den angeblich so störenden Geruch beschweren, können doch aufs Land ziehen“, sage ich
„Nein, Danke. Ich habe schon genug nervige Nachbarn“, sagt P.
„Wir nörgeln ja heute schlimmer als die alten Omas und Opas“, sage ich. „Wander-Stammtisch!“ Ich lege P. die Hand auf die Schulter. „Wenn wir es schaffen, bis zu den Uhren am Volksgarten den Mund zu halten, erzähle ich dir, was mich immer wieder aufregt.“
P. guckt mich stirnrunzelnd an.
„Hat auch mit Verkehr zu tun, im weitesten Sinne“, sage ich, als uns die rote Fußgängerampel an der Erasmusstraße aufhält.
„Na gut.“
Die Erasmusstraße: ziemlich breite Fahrbahn, ziemlich schmale Bürgersteige, weitgehend baumlos. Die Haupteinfahrtsstraße für alle, die von der A46 aus Wuppertal Richtung Innenstadt fahren. Ein Feinstaubparadies. Hätten wir als Anti-Nörgel-Therapie nicht entschieden, zu schweigen, hätte ich P. nun erzählt, dass ich die Erasmusstraße für einen der hässlichsten Flecken der Stadt halte.
Auf der anderen Seite der Erasmusstraße, entlang des weiteren Verlaufs der Feuerbachstraße, erwartet uns ein angenehmer Kontrast.
Hier ist das schnurgerade Düsselbett deutlich breiter und tiefer, dafür fließt unser Fluss noch gemächlicher – und wird von einem Spazierweg begrenzt.
Man könnte auch sagen: Ein mehr als 500 Meter langer, dafür nur rund 40 Meter breiter Park. Sehr fischreicher Düssel-Abschnit übrigens, das weiß ich noch aus der Zeit, als ich in der Nähe gewohnt habe und hier jeden Tag mit dem Hund Gassi spazieren gegangen bin (spontaner Beschluss: “Gassi” aus dem Wortschatz streichen!). Einmal habe ich sogar einen kapitalen ziemlich großen Hecht beobachtet (spontaner Beschluss: in Zukunft das Adjektiv “kapital” aus dem Wortschatz streichen!).
Auf der anderen Düsselseite liegt die Gurlittstraße mit ihren 70-Jahre-Mehrfamilienhäusern, darunter auch ein grau-tristes Studentenwohnheim.
P. schaut mich an, und ich weiß genau, dass er mir jetzt erzählen will, wie er in den 90ern, als wir hier mal auf einer Party waren, eine israelische Austauschstudentin abgeschleppt hat. Ich lege den Zeigefinger zu einem „Du sollst schweigen“-Zeichen über den Mund. P. grinst und boxt mich in die Seite.
Fortsetzung folgt …