(#37) Das Erlebnispfad-Erlebnis

in Erkrath/Neandertal/Natur

Wie wir im Neandertal einen „geheimen“ Erlebnispfad begehen / Wie wir unser Flüsschen einer Geschlechtsumwandlung unterziehen / Und warum Bäume ihre Wurzeltentakeln künstlerisch in die Düssel strecken.

Die heutige Etappe beginnt – welch Überraschung – da, wo wir bei der vorherigen geendet sind: An einem fast überwucherten Schild vor dem Zaun eines privaten Anwesens. Ein Schild, das am Stadtrand von Erkrath auf einen Wanderpfad entlang der Düssel hinweist. Der Eingang zum Neandertal, sozusagen. Leicht zu übersehen! Diesmal kommen wir übrigens nicht zu Fuß von der Brügger Mühle, sondern mit dem Auto. Hinweis: Wer in Erkrath über die Beethovenstraße die A3 unterquert und dann auf der Mettmanner Straße stadtauswärts fährt, muss nach etwa hundert Metern, kurz vor einem Warn-Schild mit der Aufschrift „21 t“ rechts abbiegen. Die kurze Sackgasse sieht aus wie eine private Hauszufahrt. Ist sie ja auch. Aber nicht nur …

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Wir haben kein „Parken Verboten“-Schild gefunden und den Wagen so stehen lassen, dass er keinen stört. Das erwähnte Schild befindet sich links neben einem (zum Teil) blauen Haus. Hier, wo alles nach „Zutritt verboten“ und „Privatweg“ riecht, ist der öffentliche Zugang zum Neandertal. Merkwürdig!

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„Also, PR-mäßig könnte Erkrath hier aber mal ein wenig nachlegen“, sagt mein bester Freund P. – seines Zeichens (falls es jemand vergessen hat) Werbetexter und dementsprechend pingelig.

Er legt nach: „Außerdem haben die schon in der Überschrift den typischen „Aufzählung mit Bindestrich“-Fehler gemacht.“ P. sagt das zwar mit leicht ironischem Unterton, aber so wie ich ihn kenne, meint er seine Sprachkritik durchaus ernst. Zumindest ein Bisschen …

Tatsächlich steht auf dem Schild: „Erlebnis-Lehr-und Wanderpfad Neandertal“. Und nicht, wie es sich ein Deutschlehrer wünschen würde: „Erlebnis-, Lehr- und Wanderpfad Neandertal.“

„Wenn unserer Agentur so ein Fehler bei einem Werbeplakat passieren würde …“, sagt P.

„Klugscheißer“, sage ich. „Das hier ist kein Werbeplakat, und das Neandertal gewinnt Ihr nun jedenfalls nicht mehr als Kunden.“

Auf dem Hinweisschild ist eine alte Skizze der Neandertal-Landschaft zu sehen, und der Mann daneben ist vermutlich der Namensgeber des Ganzen: Joachim Neander, über den unsere gute Freundin Wikipedia folgendes zu erzählen weiß:

(…) 1674 wurde Neander in Düsseldorf Rektor der Lateinschule der reformierten Gemeinde sowie Hilfsprediger. Er verfasste Texte und Melodien zu zahlreichen Kirchenliedern, die auf separatistischen Erbauungsversammlungen gesungen wurden. Weil Neander in einer eindrucksvollen Schlucht des Flüsschens Düssel bei Mettmann häufig komponierte und Gottesdienste abhielt, wurde Das Gesteins ihm zu Ehren Neandershöhle und ab dem 19. Jahrhundert Neandertal genannt. Da dort auch die ersten Skelettteile von Neandertalern entdeckt wurden, findet sich der Name Joachim Neanders auch im Begriff Neandertaler wieder. (…)

Ich weiß nicht, ob das liebevoll gestaltete Schild von der Stadt Erkrath oder (was wahrscheinlicher ist) einem Heimatverein aufgestellt worden ist, jedenfalls fühle ich mich geneigt, es gegen  P.´s Kritik „in Schutz“ zu nehmen. Ist doch toll, dass es Menschen gibt, die sich für so etwas engagieren. Eigentlich könnte man an an dieser Stelle den gesamten Text auf dem Schild zitieren. Wir belassen es bei einigen Auszügen:

Früher als das Neandertal noch „das Gesteins“ hieß, war es schon ein Anziehungspunkt für Naturliebhaber, Dichter und Maler, die es verstanden, ihre Eindrücke von der friedlichen Natur mit Feder, Farbe und Worten festzuhalten.

Und dann, nach einigen Infos über Joachim Neander und den Maler und Schriftsteller Eduard Daelen (Mitglied des Düsseldorfer Künstlervereins Malkasten), ist abschließend zu lesen:

Der Gedanke zur Gestaltung dieses Pfades ist, die weniger bekannte Geschichte des Tales in Erinnerung zu bringen. Auf Anregung des Heimatforschers Lothar Eulner werden einige Punkte näher erläutert. Dieser Weg führt der Düssel entlang zum Museum. Von dieser Stelle hier, die im Volksmund noch „An der Vogelstang“ genannt wird, geht es düsselaufwärts durch eine typische „Bachauenlandschaft“. Auf der Mitte des Weges ist ein Steilhang. Diese Höhe gibt einen schönen Blick auf das Tal und die gegenüberliegende „Steinkaule“ frei. Bergabgehend führt der Pfad zur Düssel zurück, wo er sich an der „Braumüllerschen Brücke“ in den Fußweg an der Landstraße einreiht. Unser Wunsch ist, dass der historische Weg am linken Düssel-Ufer für alle Naturfreunde und Besucher wieder geöffnet wird. Die Gesamtlänge des Weges beträgt ca. 1,5 Kilometer.

„Das Neandertal als Künstler-Treffpunkt?“, sagt mein bester Freund P. „Wusste ich noch nicht, gefällt mir.“

Wir wenden uns dem Weg zu, der zwischen einer hohen Mauer und einem Gartenzaun Richtung Wald führt und anfangs eher ein Trampelpfad ist.

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„Bis zum Museum und zurück werden wir es heute nicht schaffen“, sage ich. „Ich habe nur 30 Minuten Zeit.“

„So wenig? Was ist der Grund? Arbeit?“

„Ja aber nicht meine. Seit ein paar Wochen ist meine Frau wieder zurück im Job, und unser Kind muss zum Zahnarzt. Und wer übernimmt das? Die Festangestellte oder der Freiberufler?“

„Also momentan keine Aufträge mehr?“

„Doch, eigentlich sogar zu viele, aber die erledige ich im Zweifelsfall abends oder mache Nachtschicht! Daher auch die Blogpause …“

„Wie gut, dass ich kein Freiberufler mehr bin.“ P. grinst sein P.-Grinsen. „Als unabkömmlicher Festangestellter brauche ich meiner Frau in solchen Fällen bloß zu sagen, dass ich etwas extrem Dringendes in der Agentur zu erledigen habe.“

„Und das glaubt sie dir ernsthaft?“

„Manchmal ja, meistens nicht. Aber manchmal stimmt es ja auch …“

„Wie gut jedenfalls, dass ich nicht auch noch in einem dieser Reihenhaus-Neubauten wohne“, sage ich, weil ich weiß, dass P. sein vermeintliches Spießerleben vor seinen Berliner Hipster-Freunden immer noch peinlich ist. Weil aber P. ´s Hipster-Freunde gerade nicht dabei sind und wir in diesem Blog anonym unterwegs sind, perlt mein Konter an ihm ab wie Wasser an der Ente.

„Ach komm, Du mit deinen First-World-Problems“, sagt P., inzwischen tonlagemäßig vollends im Ironie-Modus angekommen. „Wickeln, Kind bespaßen, einkaufen, Wäsche waschen – und nebenbei die Familie ernähren und immer ein offenes Ohr für die Partnerin haben: Das wirst Du doch wohl noch schaffen, du Weichei! Andere schaffen es doch auch …“

„Halt die Klappe, nicht mal die Düssel will sich so einen erbärmlichen Quatsch anhören!“

Und weil P. das so sagt, wie nur er das sagen kann, und weil es stimmt, obwohl es total übertrieben ist, beginnt die heutige Etappe beschwingt: Mein bester Freund P. und ich – zwei vollbeschäftigte Vertreter der Väter-Generation „Du musst alles können“ machen sich lachend auf eine ziemlich kurze Entlang-der-Düssel-Etappe.

P. kann es nicht lassen: „Was hast du da eben gesagt? DIE Düssel will das nicht hören?! Moment mal, wer hat überhaupt entschieden, dass unser Flüsschen weiblich ist. Könnte ja auch DER Düssel heißen.“

„Dann müsste aber konsequenterweise auch der andere wichtige Fluss, der durch unsere Stadt fließt, sein Geschlecht ändern: DIE Rhein und DER Düssel.“

Und während wir vor einem weiteren Schild, direkt zu Anfang des Wanderwegs, Halt machen, schießt aus P.´s Mund einer seiner „realitätsnahen“ Geistesblitze: „Das wäre doch ein cooler Name für ein neues HipHop-Duo: DER DÜSSEL UND DIE RHEIN, FEAT. MC BRÜCKERBACH: ZEIG MIR DEN FLOW ZUM STREAM

„Komm lass das, deinen Humor versteht sowieso keiner.“

„Außer dir!“

„Das reicht nicht!“

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Auf dem Schild vor uns lesen wir:

Achtung schlechte Wegstrecke.

Diese Talweg wird nur in notwendigem Umfang unterhalten und instandgesetzt. ’Es besteht die Gefahr von Ausspülungen, herabfallenden Ästen und umstürzenden Bäumen. Die Uferbereiche entlang der Düssel sind die Lebensräume bedrohter Tierarten. Lassen Sie den Tieren Ruhezonen. Bitte benutzen Sie zu Ihrer eigenen Sicherheit den parallel verlaufenden Höhenweg, er führt Sie zum gleichen Ziel.

Kreis Mettmann. Der Landrat. Untere Landschaftsbehörde.

„Ziemlicher Insider-Hinweis“, sagt mein bester Freund P. „Wo dieser Höhenweg verläuft, wissen ja wohl nur Ortskundige.“

„Wahrscheinlich der Weg, der an der A3-Brücke den Hügel hinaufführt“, vermute ich.

Wir spazieren los. Hinein in den Wald,hinein ins Neandertal. Hin zu unserem Flüsschen. Nach ein paar  wird der Trampelpfad zu einem gut begehbarem Weg, rechterhand begrenzt vom bewaldeten Hang, linkerhand von einem Maschendrahtzaun.

Ein Blick zurück:

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Hinter dem Zaun kommt die Düssel in Sicht. Auf der anderen Flussseite steht eine Bank. Etwas weiter flussaufwärts ist eine Hängebrücke zu sehen. All das ist vom “Erlebnispfad” aus nicht zugänglich, gehört wohl zum Gelände der Brügger Mühle, das wir bei der letzten Etappe durchschritten haben.

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Danach orientiert sich der Weg am Flussverlauf, macht eine scharfe Kurve. Am anderen Ufer strecken Bäume ihre Wurzeltetentalkel in die Düssel, fast künstlerisch anmutend. Hinter ihnen grast ein Pferd auf einer Wiese. Idyllisch.

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Eine “schlechte Wegstrecke” ist der “Erlebnispfad” immer noch nicht, im Gegenteil. Allerdings kreuzen ihn von beiden Seiten immer wieder schräg wachsende Bäume, die an manchen Stellen ein Fluss-Weg-Dach bilden. Anders gesagt: TÜV-geprüft ist die Strecke nicht.

Dann wird zum ersten Mal klar, warum das Neandertal früher einmal eine richtige Schlucht war und das „Gesteins“ genannt wurde: Rechterhand erblicken wir klippenähnliche Kalksteinformationen am Hang.

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Wikipedia erklärt: Die ursprünglich einst weithin bekannte Schlucht von knapp einem Kilometer Länge wurde im 19. Jahrhundert durch den Kalkabbau vollständig zerstört.

Ob die zerstörte Schlucht schon hier begann – oder weiter flussaufwärts? Was mit der anderen Schlucht-Seite ist? Auf meine Fragen hin zuckt mein bester Freund P.  die Schultern und klettert den Hang hoch, um mit dem iPhone ein paar Gesteins-Fotos aus der Nähe zu machen.

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Weiter am Ufer entlang. Am Rande der Düssel finden sich immer wieder große, bemooste Steine.

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Wild ist es hier. Und schön. Die Düssel fließt in einem Bett, dass sich frei entfalten darf. Mal schmaler und tiefer, mal breit und flach mit kleinen Inseln. Unser Flüsschen plätschert und gurgelt. Und auf einer Insel sehen wir vier Bäume, in einer Reihe hintereinander angeordnet. P. macht ein Foto – und kommentiert: „Die weltweite einzige Neandertal-Insel mit vier Bäumen.“

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Kurz darauf gelangen wir zu dem Steilhang, der auf dem Neandertal-Erklär-Schild zu Beginn des Weges angekündigt wird. Der Weg führt weg von der Düssel. Wir spazieren ein paar Meter den Berg hinauf, schießen ein Foto – und machen uns dann auf den Rückweg.

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