(#4) Keine Fische und ein Sumpfdotterblumen-Fetischist

in Düsseldorf

Warum der Yoga-Kurs ausfällt, wenn keine Fische da sind / Warum die CDU den besten Düssel-Blick hat / Und wie Google Maps nicht immer die Kurve kriegt.

Gerade haben wir die Wasserstraße (die heißt wirklich so!) überquert, die von der Düssel unterquert wird – und nun grinst mein Freund P. ironisch. Kein Wunder: Nachdem ich eben angekündigt habe, wie viele Fische ich hier schon gesehen habe, sieht die Bilanz kläglich aus. Weder an der Düssel-Mündung in den Kaiserteich, noch auf der anderen Seite zeigt sich auch nur ein Fisch.

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Immerhin ist die Düssel von hier an wieder ein Flüsschen Fluss – und keine imaginäre Idee, die sich über drei Teiche verteilt, bevor das Wasser (ist es dann überhaupt noch Düssel-Wasser?!) per Röhre still und würdelos in den Rhein geleitet wird.

„Jetzt können wir die Anführungsstriche weglassen, wenn wir von `stromaufwärts´sprechen – zumindest bis zum Volksgarten“, sage ich.

„Lenk nicht ab“, sagt P. – immer noch grinsend. „Wo sind deine Fische?“ Er betont „deine“ so, als würden die Fische tatsächlich mir gehören. Na ja, tun sie ja auch. Gewissermaßen. Ich habe jedenfalls noch nie jemand anderen gesehen, der sich für Fische in der Düssel interessiert.

Nicht, dass Ihr denkt, ich wäre so eine Art Fisch-Nerd! In Biologie war ich in der Schule ganz schlecht, und ein Aquarium habe ich auch nicht. Ich weiß nicht, warum, aber mich faszinieren Fische in der freien Natur, besonders, wenn das Wasser fließt. Fische in der Düssel beobachten – das ist mein kostenloser Yoga-Kurs.

„Tja, was ist bloß mit meinen Fischen los in diesem Jahr?“, sage ich und zucke mit den Schultern. Die Sonne scheint durch das Wasser, das von Büschen überragt wird und hier fast einen Meter tief ist. Das liegt daran, dass die flache Düssel kurz vorher einem Knick macht und dann ziemlich abrupt von fünf auf knapp zweieinhalb Meter Breite zusammengepresst wird, bevor sie mit recht hoher Strömung geradeaus am Gebäude der CDU entlang Richtung Kaiserteich fließt.

Das Ufer dieser Düssel-Kurve liegt unterhalb der Glasfassade einer Bank, die sich im Wasser spiegelt. Ein Mini-Park, der über eine Treppe zu erreichen ist. Wir steigen sie herunter und gelangen auf einen schmalen Fußweg. Entlang des Flusses sind mehrere Bänke aufgestellt. Früher, als ich noch mehr Zeit hatte, habe ich hier oft gesessen.

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„Wenn ich einen Düsseldorf-Reiseführer schreiben müsste, würde ich diese Stelle als `kleine Oase´´bezeichnen“, sagt P.

„Stimmt ja auch, fehlen nur noch die Fische“, sage ich. Ich scanne das Wasser. Klares, fließendes Wasser. Verdammt noch mal, sie sollen gegen die Strömung schwimmen, über dem Kies stehen, sich treiben lassen. Sich zeigen!

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„Vielleicht hat irgendwer Gift ins Wasser gekippt“, meint P.

„Glaube ich nicht. Überall Fischleichen – das hätte in der Presse gestanden“, sage ich.

„Oder die sind einfach alle in den Kaiserteich abgehauen und schaffen es nicht mehr zurück, ich habe da eben ein Sperrgitter gesehen“, sagt P. „Was für Fische sollen das denn überhaupt sein?“

„Eher kleine – keine fetten Karpfen oder so wie in Kaiserteich und Schwanenspiegel. Wahrscheinlich Rotaugen oder Rotfedern. Oder Elritzen? So genau kenn ich mich da auch nicht aus.“

„Wie, ich dachte du bist Spezialist!“

Ich schüttele den Kopf und gehe am Ufer bis zum Ende des Mini-Parks.

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Kein Flanieren möglich, die Düssel verschwindet hinter Schilf und Büschen im Schatten.

„Lass uns fürs Blog auch ein Foto von den gelben Blumen da vorne machen“, sage ich. „Sind das Sumpfdotterblumen?“

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„Alter, du bist voll der Freak! Sumpfdotterblumen?! Was weiß ich denn! Ich kenne ja nicht mal Namen von Blumen, die im Trockenen wachsen.“

„Du bist ja nur neidisch, weil du nicht so ein schönes Hobby hast“, sage ich.

Wer uns nicht kennt, könnte meinen, dass wir uns ernsthaft angiften. Dabei spielen wir bloß Ironie-Ping-Pong. Ohne dass wir uns gegenseitig aufziehen, wird uns schnell langweilig.

„Mein Lieber, wir kennen uns mehr als dreißig Jahre, und erst jetzt erfährst du, dass du mit einem Sumpfdotterblumen-Fetischisten befreundet bist“, sage ich. „Das muss hart sein!“

„Du brauchst eine Selbsthilfegruppe!“, sagt P. trocken, verzieht theatralisch den Mund und macht ein Foto von der Sumpfdotterblume, die wahrscheinlich gar keine Sumpfdotterblume ist. Sie sieht ziemlich zerrupft aus, wie ein zu groß geratener Löwenzahn, der sich ans Flussufer verirrt hat.

Endlich sehe ich sie: Zwei Fische! Oder sind es drei? Ja, es sind drei! Mindestens. Sie sind klein, vielleicht eine Hand lang, schwimmen im Schwarm.

Ich fuchtele mit der Hand, zeige auf die Fische. P. sieht sie nicht. Dann sind sie weg. „Und solche hast du hier schon mal gesehen?“

„Nein“, sage ich. „Das heißt doch, solche Fische habe ich hier früher schon oft gesehen, aber viel mehr. Dutzende! Nicht nur das: Einmal habe ich hier sogar einen Flusskrebs beobachtet, und einmal eine Schildkröte.”

„Schildkröten gibts sogar in dem Drecksteich im Florapark“, sagt P. „Wahrscheinlich sind die ausgesetzt worden von einem, der keinen Bock mehr hatte, sie als Haustier zu halten.“

„Ja, wahrscheinlich weil er Vater geworden ist, so wie du“, sage ich. “Ist ja auch egal“, sage ich und gucke auf die Uhr. „Wir sollten weniger quatschen und mehr spazieren.” Ich zücke mein Smartphone.

„Wie war das eben mit `Entschleunigung`?“

„Wer ist schon konsequent“, sage ich und gebe „Düssel“ und „Fische“ in die Google-Suchmaske ein. Ich stoße auf das Fischhaus in der Altstadt, das Emmafisch in Oberbilk, das Ab Der Fisch in Derendorf, außerdem auf die Meerbar, die Oddugi Sushi Bar und auf Patrick´s Seafood No1 im Medienhafen. Klarer Fall von unpräziser Sucheingabe!

P. schielt auf mein Display und lacht. „Jetzt wissen wir ja, wo die Düsselfische geblieben sind. Neu im Programm: Düsselfischfilet. Na dann guten Appetit!“

Am Düsselufer kommen wir nicht weiter, also verlassen wir die „Oase“, biegen wieder in die Wasserstraße ein und verfolgen sie bis zur Auffahrt der Rheinkniebrücke, biegen dann rechts ab. Wir sehen den Rheinturm, wir sehen die ansteigende Rheinbrücke, und wir sehen eine mit Grafitti besprayte Mauer. Dahinter müsste die Düssel fließen. Rein theoretisch.

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Ich springe hoch, versuche einen Blick dahinter zu werfen. Kein Fluss zu sehen. „Ich glaube, die haben unsere Düssel nur für ein paar Hundert Meter an die Freiheit gelassen, ein Bisschen `Grüne-Oase-Show´ vor den Augen von NRW Bank und CDU – und dann wieder ab in die Röhre.“ Diesmal holt mein bester Freund P. sein iPhone aus der Tasche, checkt  den Stadtplan. Das Ergebnis: P. hat Recht – aber Google Maps, das den oberirdirschen Verlauf der Düssel mit einem schmalen blauen Streifen anzeigt, hat nicht Recht.

„Die haben bei der Düssel die Kurve vergessen“, sage ich

„Wenn wir das in der Agentur bei einem Auftrag machen würden!“, sagt P. – und guckt auf die Uhr. „Aber Google kann sich die Schlamperei ja leisten! … Nächste Woche wieder?“

„Nächste Woche wieder!“

“Denkst du dran, das Handyvideo bei YouTube hochzuladen?”

“Ach ja, mein dogmamäßig, wie von Geisterhand gedrehtes Meisterwerk …mache ich …”

“Oaky! Tschüss, Lars von Trier!”

“Bleib sauber, Henry David Thoreau!”

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