In die Ex-Räume der berühmten Buchhandlung in Düsseldorf soll eine Motel-One-Filiale einziehen. Doch was passiert dann mit den Beschriftungen auf der Hausfassade?
Deutschlands ehemals größte Buchhandlung gibt es nicht mehr, Ende März dieses Jahres sind bereits drei Jahre seit dem letzten Öffnungstag im Buchhaus Stern-Verlag vergangen. Anfang 2016 habe ich auf facebook einen sehr persönlichen Abschiedsbrief an meinen Lieblingsbuchladen auf der Friedrichstraße 26-28 in Düsseldorf-Friedrichstadt veröffentlicht: Offenbar hat das nahende Ende des traditionsreichen Geschäfts damals viele Menschen berührt, das Posting wurde zum viralen Lokalhit (rund 3500 Likes, Shares und Kommentare) und fand hier und da sogar den Weg in die Presse. Der Verlust des Stern-Verlags: Das war für viele Düsseldorfer so, als habe man der Friedrichstraße das „Herz rausgerissen“. Sogar der Rosenmontagszug 2016 nahm das Thema auf: „Der Stern-Verlag verglüht.“
Und jetzt? Das meistvermisste Geschäft Düsseldorfs ist inzwischen sogar Gegenstand von Stadtführungen über verschwundene Orte geworden. Außerdem haben sich rund 50 Gastronomen und Einzelhändler zu der Initiative Die Friedrichs zusammengeschlossen, um „ihre“ Straße neu zu beleben. Und die Hotelkette Motel One hat das ehemalige Stern-Verlag-Gebäude gekauft und plant, dort eine Filiale zu eröffnen (Umbaubeginn noch unklar), begrüßt von den ansässigen Geschäftsleuten: Neues Leben im Haus Nr. 26-28 – das brächte neuen Schwung, und den kann Deutschlands zweitbekannteste Friedrichstraße, die durchaus vielen Menschen am Herzen liegt, trotz positiver Signale gut gebrauchen.
Letztens kam mir, passend zu den Motel-One-Plänen, eine Idee: An einem Januarnachmittag (es war schon dunkel) spazierte ich wieder mal am ehemaligen Stern-Verlag vorbei, und mein Blick streifte die immer noch existenten Fassadenbeschriftungen in der so charakteristischen Typografie (siehe Foto):
ANTIQUARIAT BUCHHANDLUNG STERN-VERLAG
Die Stern-Verlag-Logos ließen vor meinem geistigen Auge altbekannte Bilder auftauchen: der hellerleuchtete Eingangsbereich, die langgezogenen, bis zur Talstraße reichenden und über mehrere Etagen verteilten Verkaufsflächen. Sachbücher, Romane, Fachbücher, Taschenbücher, Bildbände, Reiseführer, Schulbücher, Kinderbücher, Hörbücher, Zeitschriften. Natürlich steigt dabei jedes Mal eine gewisse Wehmut auf. Doch was, wenn es auf Friedrich- und Talstraße überhaupt keine Erinnerungen mehr an der Stern-Verlag gäbe? Sprich: Wenn beim Umbau des Gebäudes zum Hotel die Fassade ein so umfassendes „Facelift“ erhielte, dass jegliche Spuren an seine Buchhandlungs-Geschichte (1927-2016) getilgt würden? Ich finde: Das wäre noch schlimmer.
In Sachen Architektur bin ich nur Laie, ich kann mir aber gut vorstellen, dass es möglich ist, die alten Stern-Verlag-Beschriftungen bei einer Neugestaltung der Fassade mit einzubinden (zumindest einen Teil davon) – eventuell ergänzt durch eine kleine „Gedenktafel“, die auf die Stern-Verlag-Historie hinweist, oder durch eine Dauerausstellung von Stern-Verlag-Fotos. Mit anderen Worten: Die Stern-Verlag-Logos sind „integrationsbereit“. Auch ein Name für die neue Hotel-Filiale wäre dann bereits gefunden: „Motel One im Stern-Verlag“. Eine Win-Win-Situation: Der Hotel-Neuzugang kommt von Anfang an im Viertel „an“, und die Düsseldorfer freuen sich darüber, dass die traditionsreichste Buchhandlung ihrer Stadt gewürdigt wird. Wie gesagt: Nur so eine Idee, tragt sie gerne weiter …
P.S. Dieser Beitrag erschien zuvor in abgespeckter Version (nur ein Foto plus Text) als facebook-Posting, auf der Seite zum Blog (hier). Es gab bereits einige interessante, die Grundidee weiterführende Kommentare zum Thema.
Heidrun schreibt: „Wenn im ehemaligen Stern-Verlag ein Hotel entsteht, müsste der Innenarchitekt in der Lobby eine riesige Bibliothek einplanen. (…) Es gibt im In- und Ausland viele Hotels mit Bibliotheken, rustikal oder modern mit unterschiedlichen Beständen an Literatur. Teilweise werden sogar Lesungen veranstaltet.„
Dieter schreibt: „Tolle Idee, hoffentlich geht jemand damit zur Motel One Geschäftsführung. Die Bindung zu einem emotionalen Düsseldorfer Thema würde dem Unternehmen viele Pluspunkte bringen.„
Lars schreibt: „Gute Idee, vielleicht findet das die Geschäftsführung von Motel One auch …„
Marianne schreibt: „Eine Buchhandlungsatmosphäre in Reminiszenz an das Buchhaus Stern-Verlag im Entrée des Hotels ist eine schöne Idee – würde doch auch gut zum Ambiente der Motel One Niederlassungen passen …“
Jan schreibt: „Wie wäre es mit einer Mail an die Hotel Gruppe? Für die Innenraumgestaltung wäre das mit Sicherheit ein tolles Thema.„
Update 1. Februar 2019: Die Westdeutsche Zeitung hat das diesem Blog-Beitrag zu Grunde liegende facebook-Posting in einem Artikel aufgegriffen (hier online nachlesen): „Freunde des Stern-Verlags wollen Erinnerunge bewahren: (…) Aus einem Spaziergang ist eine große Debatte darüber erwachsen, ob und wie an der Friedrichstraße die Erinnerung an das Buchhaus Stern-Verlag bestehen bleiben kann. Der Blogger Sebastian Brück („Düssel-Flaneur“) hat bei dem erwähnten Spaziergang überlegt, was mit der Fassade und dem Gebäude geschieht und seine Gedanken bei Facebook veröffentlicht. (…) Unter Brücks Facebook-Beitrag tauchten schon bald die nächsten Ideen auf: Eine Nutzerin schlägt vor, eine „riesige Bibliothek“ im Hotel zu schaffen, eine andere wünscht sich eine „Buchhandlungsatmosphäre“ in der Lobby. Darüber hinaus gibt es Gedanken, Lesungen im Hotel zu veranstalten oder die Kinder-Vormittage des Stern-Verlags wieder aufleben zu lassen sowie mit literarischen Figuren auf der Speisekarte zu spielen. (…)“
In der kleinen portugiesischen Ortschaft Obidos, ca. 70 km nördlich von Lissabon, befindet sich ein Hotel mit dem Namen „the literary man“. Tausende von Büchern dienen hier, über sämtliche Räume des Hotels verteilt, als Innendekoration, und natürlich können die Bücher von den Gästen auch zum Schmökern genutzt werden. Vielleicht eine weitere Anregung für den künftigen Hotelinhaber des früheren Stern-Verlags, um die Erinnerung an die ehemalige Nutzung dieses Gebäudes wach zu halten.
Vielen Dank für diesen Kommentar. Das hört sich großartig an, und man bekommt spontan Lust, dieses Hotel in Portugal einmal zu besuchen. Und: Ja, es wäre toll, wennn sich die Architekten von Motel One für die Friedrichstraßen-Filiale davon inspirieren lassen würden 🙂
Ich finde das zwar eine großartige Idee, aber Ketten leben von ihrer sogenannten „Corporate Identity“, und da kümmern selten irgendwelche Traditionen – siehe McD, da wird eigentlich auch überall knallrote Leuchtreklame montiert, ob es zum Haus und zur Umgebung passt, interessiert auch nicht.
Ich kann mir gut die Diskussion bei Motel One vorstellen. „Die wollen, dass wir was vom Vormieter beibehalten.“ „Wer war denn der Vormieter?“ „Irgendso’n Buchladen. Keine Ahnung.“ „So? Wir sind kein Buchladen.“ Vorschlag zu den Akten gelegt 🙁
Vielen Dank für den Kommentar 🙂 Leider könnte ich mir das von dir beschriebene Szenario vorstellen. Ich habe aber die Hoffnung, dass dem nicht so sein wird und dass den Motel One-Managern daran gelegen sein wird, der Geschichte des Gebäudes Tribut zu zu zollen, auf welche Art und Weise auch immer. Wir werden sehen, ich bin gespannt …