Wie reagiert die Hipster-Mutter, wenn die Tochter beschließt, einem Stoffhasen einen „verbotenen“ Namen zu verpassen? Eine Alltagsbeoachtung auf einem Spielplatz in Düsseldorf.
Sitze auf einer Spielplatzbank, lese Zeitung, mein Kind klettert und rutscht – und dann höre ich die Frage des Tages, nein der Woche. Zwei Bänke weiter sitzt eine Mutter. Ende 30, Typ Bildungsbürger mit Hipster-Einschlag. Schwarz umrandete Brille vor den Augen, Dutt auf dem Kopf und Skinny Jeans an den Beinen. Sogar: Jute-Beutel auf dem Schoß, aber der ist von Aldi. Also bitte keine weiteren Vorurteile. Das hier soll kein Hipster-Bashing werden. Erwähne es nur, damit Ihr euch die Person vorstellen könnt. Ich kenne sie nicht, weiß aber, dass sie eine Mutter ist, weil ein Mädchen, das ein „Mini Boden“-Outfit trägt und ein Stofftier in der Hand hält, sie gerade angesprochen hat: „Mama, ist Pimmel ein schöner Name für meinen Hasen?“
Die Mutter zuckt ein wenig zusammen, checkt die Umgebung ab, fragt sich wohl, ob einer zugehört hat. Außer mir anscheinend keiner, und ich studiere längst wieder hochkonzentriert einen Artikel. Sie denkt nun sicher: „Ein Glück!“ Und dann antwortet sie ihrer Tochter in einem Tonfall, der streng klingen soll, aber eher zischt, weil ja keiner mithören darf: „Mia (Name geändert), so kannst du den Hasen doch nicht nennen, das hat er nicht verdient.“
Die Tochter, geschätzt fünf oder sechs Jahre alt, Vorschulkind, aber sprachlich schon weiter, weil ihr vermutlich bereits zehn Mal „Oh wie schön ist Panama“ vorgelesen worden ist, reagiert empört: „Aber du hast doch gesagt, es ist gut, wenn ich viel Phantasie habe.“
„Ja, meine Süße, aber so nicht.“
Die Tochter stampft vor Wut auf. „Warum nicht? Das ist gemein!“
Der Mutter gelingt es, den Namensvorschlag nicht zu wiederholen. Stattdessen betont sie das Pronomen: „Mia, DAS ist kein Name für einen Hasen!“
„Mir gefällt der Name aber. Mein Hase braucht einen besonderen Namen!“
„Na, dann nenn ihn doch Bommel oder Bimmel oder so“.
Aus den Augenwinkeln sehe ich, dass die Mutter fast lachen muss, während sie das sagt – aber sie behält die Kontrolle. Wie macht sie das bloß? Ich sitze völlig verkrampft auf der Bank, versuche solidarisch zu sein, starre auf meine Zeitung.
Mia versucht, sich durchzusetzen, entgegnet altklug: „Nein, Mama, ich nenne meinen Hasen Pimmel. Ich habe ihm den Namen doch schon gegeben, das kann man jetzt nicht mehr ändern, das habt Ihr bei mir doch auch nicht gemacht.“
Mias Mutter, sichtlich verzweifelt, fährt nun härtere Geschütze auf: „Mädchen dürfen einen Hasen NICHT Pimmel nennen!“
Mia, clever wie sie ist, nimmt die Steilvorlage auf: „Aber Jungens dürfen das? Das ich nicht gerecht!“
„Nein, Jungens dürfen das auch nicht“, sagt die Mutter – und verrennt sich nun völlig. „Aber wenn ein Mädchen mit einem Hasen, der so heißt, in die Kita kommt, dann rufen die Erzieher sofort die Polizei.“
„Pimmelpolizei“, schießt es mir durch den Kopf. Ich halte es nicht mehr aus, falte die Zeitung zusammen und gehe zu meinem Kind, das auch eine Tochter ist, aber circa zwei Jahre älter als Mia. Mit Stofftieren spielt sie immer noch, und sie gibt ihnen auch Namen, sogar ausgefallene: Seit letzter Woche heißt einer ihrer Teddybären „Elvis Schikowsky“. Aber vielleicht hat sie das inzwischen längst vergessen und denkt sich morgen einen neuen Namen aus.
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Leserkommentare:
– „HERRLICH!!! Zum Glück hatte ich den Kaffee noch nicht im Mund. Ich kann nicht mehr … ich sehe das förmlich vor mir, verfilmt von Monty Python.“
– “ Super Story, grandios erzählt. Danke!“
– „Herrlich geschrieben, und…… Ich hätte gerne noch mehr Hipster- Beschreibungen.“
– „Das ist eine Kurzgeschichte für die Zeitung. Ich würde sie einreichen. Super geschrieben!“
– „Sehr schöner Einstieg für den Morgen, danke dafür.“
– „OMG, koestlich, und so verwegen erzaehlt!“