(#17) Longboard-Senior mit Kim Wilde-Vergangenheit

in Düsseldorf

Warum exzessives Motzen das Düssel-Ufer verschmutzt / Wie man sich an Renault 4-Fahrten durch den Volksgarten erinnert / Und warum man Kim Wilde heute noch hören kann, Shakin´Stevens aber nicht.

Mein bester Freund P. hat angekündigt, dass er mit mir sprechen muss. Er hat sich die bisherigen 16 Blog-Folgen zum ersten Mal „so richtig“ durchgelesen und ist nicht zufrieden. Genauer gesagt: Nicht zufrieden mit sich. Noch genauer gesagt: Nicht zufrieden damit, wie ich ihn im Blog beschreibe. So als Typ und überhaupt. Details soll ich bei unserer heutigen Düssel-Flaneur-Etappe erfahren: Entlang unseres Flüsschens durch den Volkgarten – bis zur Philipshalle Mitsubishi Electric Halle.

Ich stehe an der Düssel-Brücke am Eingang zum Volkgarten, warte. Endlich radelt P. von der Eisenbahn-Unterführung kommend heran, bremst scharf, steigt ab, nickt mir zu, hält Ausschau nach einem Fahrradparkplatz.
Die Düssel im Volksgarten: Renaturiert (sprich: gerade aber mit ausgefranstem Ufer), um ein bis zwei Meter breiter als an der Karolingerstraße, einen Tick breiter als an der Feuerbachstraße, anfangs relativ tief, später flacher, gemächlich fließend, nicht ohne Fische, wenn man ein Auge dafür hat. P.: Skinny-Jeans, Chucks, T-Shirt, Base-Cap, Puck-die-Fliege-Brille, Drei-Tage-Flaum mit Vollbart-Ambitionen.

„Alter Preuße, dass ich das mal erleben darf: Du bist zu spät!“, sage ich.

„Bin fast von drei Kids auf Longboards umgenietet worden“, erzählt P., ein kleines Bisschen atemlos, während er sein Fahrrad an einer Laterne deponiert. „Einfach haarscharf an mir vorbei gefahren!“ Dann fängt er sich, schaltet seine Stimme auf Ironie-Modus: „Die heutige Jugend, keinen Respekt mehr!“

„Hört, hört, der Herr wird allmählich so bissig wie die Omis und Opis, die ihn sonst so nerven. Na ja, bist ja auch schon fast 40, altersbedingtes Motzki-Syndrom im Anfangsstadium!“

Wir spazieren durch den Volksgarten. Links von uns: Der graffitiverzierte Bahndamm. Rechts von uns: Die Düssel. Rechts von der Düssel: Der von Düssel-Wasser gespeiste Volksgarten-Teich (vor dem Klimawandel: Das Schlittschuhrevier der Jugend von Bilk und Oberbilk).

image
image

„Eigentlich wollte ich mir auch so ein Longboard kaufen“, sagt P, während wir über eine Brücke auf die andere Düssel-Seite wechseln, und irgendwie klingt seine Stimme nun gar nicht mehr ironisch, fast kleinlaut.

„Erst Klapprad-Coolio, jetzt Longboard-Senior – passt doch!“, sage ich. „Aber lass bitte erst den Bart fertig wachsen!“

Kleine Insider-Info nebenbei: P. war Ende der 80er, Anfang der 90er einer der besten Skateboarder Düsseldorfs und hat fast seine gesamte Freizeit rund um die Skater-Szene vor dem Carsch-Haus verbracht. Nachdem er einmal schwer gestürzt ist, hat er aufgehört.

„Nee, im Ernst. So ein Longboard ist doch genau das Richtige für einen Ex-Skater wie mich. Da rollst du gemächlich durch die Gegend, bewegst dich, musst dich dabei aber nicht allzu sehr anstrengen, und Tricks kannst du mit den Dingern sowieso kaum machen. Aber das Gleitgefühl – das ist da!“

„Wieviel Longboard-Fahrer um die 40 hast du denn schon gesehen in Düsseldorf?“, frage ich.

P. zuckt trotzig die Achseln. „Dann bin ich eben der erste! Außerdem sehe ich mindestens fünf Jahre jünger aus!“ Und dann lügt er: „Mir doch scheiß egal, was andere über mich denken!“

„Na dann bin ich gespannt, wann du zum ersten Mal auf deinem neuen Midlife-Crisis-Longboard zu unserer Flanier-Etappe anreist.“

P. wechselt das Thema: „Du, wir müssen mal über das Blog reden! Ich finde, ich komme da zu schlecht weg. Du beschreibt mich oft als berufsjugendlichen Hipster-Darsteller, total eitel und irgendwie abgefuckt. Aber das entspricht doch gar nicht der Realität!“

„Und wen interessiert das? Ist doch anonym, weiß eh keiner, dass du das bist! Außer mir.“

P. ignoriert meine Frage: „Du schreibst, was für Klamotten ich trage, was für ein Fahrrad ich fahre, welche Musik ich rezitiere. Und so weiter. Und von dir erzählst du fast gar nichts.”

„Ich bin ja auch der Ich-Erzähler“, sage ich. „Und der Ich-Erzähler entscheidet, was über wen erzählt wird.“

„Feigling! Du profilierst dich auf meine Kosten, dabei bist du mindestens genau so lächerlich wie ich. Aber nein, du lässt nur andeutungsweise das eine oder andere Detail raus, und meistens grenzt du dich dabei zu mir ab: Dass du eher Bootcut statt Röhrenjeans trägst. Solche Sachen!“

„Ich erzähl dir jetzt mal etwas ganz Exklusives“, sage ich. „Etwas, dass die meisten Leute, die durch den Volkgarten spazieren, nicht wissen können.“

image
image

Inzwischen haben wir den parallel zum Bahndamm verlaufenden Teil der Düssel hinter uns gelassen, dabei rund 10 Brücken passiert (das Venedig von Düsseldorf Bilk!),  und nun stehen wir auf einer weiteren Brücke, diesmal mit (durch Bäume und Sträucher weitgehend verdeckten) Blick auf die Mitsubishi Electric Philipshalle. Hier, wo der „alte“ Volksgarten in den „neuen“ Südpark übergeht, ist die Düssel für die Bundesgartenschau 1987 zu einem langgezogenen Teich angestaut worden.

image

Womit wir bei meinem Thema wären: „Bis Mitte der 1980er Jahre konnte man von der Brinkmannstraße und vom Hennekamp aus mit dem Auto durch den Volksgarten fahren. Wenn ich mich richtig erinnere, gab es zwei Straßen: eine verlief zwischen Bahndamm und Düssel, die andere entlang des Zauns zum Friedhof. Und ungefähr an der Stelle, an der wir jetzt stehen, haben sich die beiden Straßen damals zu einer vereinigt, die dann auf die Siegburger Straße mündete.“

„Waren das offizielle Straßen?“, fragt P., gebürtiger Neusser ohne Volksgarten-Kindheit. „Oder eher Schleichwege für Anlieger?“

„Keine Ahnung. Jedenfalls hat mich meine Mutter mit ihrem grünen Renault 4 jeden Werktag durch den Volksgarten in den Kindergarten gefahren, und wenn das mal kein Anliegen ist!. Was hältst du davon, wenn wir im Blog dazu aufrufen, alte Fotos von den Straßen durch den Volkgarten hier oder auf unserer Facebook-Seite zu posten? Den Kindergarten gibt’s übrigens immer noch, an der Siegburger, gegenüber der Mitusbishi Electric Halle Philipshalle.”

„In der Halle habe ich Anfang der 80er mein erstes Konzert gesehen“, sagt P. „Kim Wilde!“

„Ich auch“, sage ich. „Shakin´ Stevens!“

„Kim Wilde kann man auch heute noch ganz gut hören“, sagt P., „zumindest die alten Sachen.“

„Ja, ich verstehe schon, was du sagen willst: Im Gegensatz zu Kim Wilde kann man Shakin´ Stevens heute ganz und gar nicht mehr hören. Aber du hast Recht! Du warst eben schon damals der coolere von uns beiden.“

„Hätten wir uns damals schon gekannt, hätte ich dich mit zu Kim Wilde genommen.“

„Dann hätte ich die Vorgruppe von Shakin´ Stevens verpasst: Snäp, eine der unbekannteren Bands der Neuen Deutschen Welle. Die sind damals fast die ganze Zeit ausgebuht worden, nur für ihren Mini-Hit Elisabeth haben sie ein wenig Applaus bekommen. Hier, schau mal ….“ Ich zücke mein Smartphone und rufe ein Video bei YouTube auf.

Der Refrain: Elisabeth
du warst so nett
zu mir
und ich
möcht auch nett sein
zu dir
oh oh
Elisabeth
wow wow
woh oh oh oh 

„Gar nicht mal so schlecht“, meint P. „Aber am besten ist der Adolf-Schnäuzer vom Sänger.“

„Der sieht eher so aus wie bei Charlie Chaplin.“

„Ja, wie bei Charlie Chaplin, der Adolf Hitler parodiert.“

„Was ist eigentlich mit dem Tipp gegen meine Smartphone-Sucht, den du letzte Woche angekündigt hast?“

„Verschiebe wir auf nächste Woche! Dafür bekommst du dann sogar zwei Tipps auf einmal, du Junkie! Und wegen der Darstellung meiner Person im Blog reden wir noch.“

“Mach du doch den Ich-Erzähler!”

“Du weißt genau, dass ich durch den neuen Job keine Zeit zum Schreiben habe. Ich bin ja schon froh, wenn ich mal in Ruhe dazu komme, ein großes Geschäft zu machen.”

“Mit oder ohne Smartphone?”

“Mit! Mein iPhone ist die neue Zeitung.”

“Also bist du auch süchtig?”

“Na klar, deswegen bin ich ja auch der richtige Mann, um dir Tipps zu geben.”

Schreibe einen Kommentar

Your email address will not be published.

Latest from Düsseldorf

Go to Top