Wie Neandertal-Esel in Smartphone-Kameras schauen / Wie wir im Spätherbst eine Biergartensommer-Vision haben / Und wo in Düssel-Nähe unter freiem Himmel antiquarischer Lesestoff ausliegt.
Obwohl die Pause so lang war, könnte man die heutige Etappe entlang der Düssel genauso beginnen wie die vorhergehende. Was schlicht und einfach daran liegt, dass unser Startpunkt erneut der Parkplatz am Winkelsmühler Weg ist (nahe S-Bahnhof Hochdahl-Millrath), oberhalb des Neandertals.
Weiter ins Tal hinunterfahren können wir nicht bzw. möchten wir nicht im (zum Glück) autoparkplatzfeindlichem Neandertal. Also: Raus aus dem Auto, rein ins Tal. Ihr kennt das schon: Den Weg hin zum Ende der vorherigen Etappe, die gleichsam der Beginn der aktuellen sein muss, illustrieren mein bester Freund P. und ich mit Fotos. Schilder, Wege, Natur.
Sieht alles so aus wie gehabt, allerdings diesmal ohne Blätter und somit durchsichtiger. Um so mehr sticht hier und da knallgrünes Moos und dunkelgrünes Efeu heraus aus dem braun-grauen Herbstwald. Doch Stopp, eine Ergänzung müssen wir auf dem Weg loswerden: „Esel sind keine Pferde mit langen Ohren“ steht auf einem Schild an einer Weide, die an eine Art Bauernhof angeschlossen ist. Passenderweise sind die dem Schild zugehörigen Esel diesmal ebenfalls anwesend. Wir erfahren: Esel stammen aus Steppen und Wüstenlandschaften. Und sie vertragen das eiweißreiche Gras der hiesigen Wiesen nicht, werden krank, wenn man sie damit füttert. Und Brot vertragen sie schon gar nicht.
Einer der beiden Esel guckt gar in die Kamera, als mein zweibeiniger Begleiter ein Foto der Wiese macht – und sagt freundlich lächelnd „Geht mal lieber weiter, Ihr blöden Touristen, wir wollen in Ruhe chillen!“
Daraufhin mein bester Freund P.: „Touristen?! Geht´s noch! Wir sind Flaneure.“
Aber Ihr müsst ja nicht alles glauben!
Ach ja: P.´s neuer, aber tatsächlich ziemlich alter Hund Manolo, den wir euch bei der vorherigen Etappe vorgestellt haben, kann die Esel leider nicht sehen, denn er ist blind. Immerhin ist er wieder mit von der Partie, und nachdem mein bester Freund letztes Mal noch gezögert hat, ihn überhaupt abzulichten, nötigt er ihn nun zu einer kleinen Foto-Session: Hund auf Bank vor Wald. Manolo reagiert gelassen, er hat schließlich Film-Erfahrung.
Kurz darauf geht die Etappe „offiziell“ los: Dort, wo sich die Straßen „Bracken“ und „Ehlenbeck“ treffen. Mein bester Freund P. zeigt auf die Düssel, die einen Steinwurf entfernt unter einer Brücke hindurch plätschert: „Links oder rechts am Ufer entlang?“
Ich zucke die Schultern. Tatsächlich haben wir unseren Düssel-Termin heute so spontan verabredet, dass keine Zeit blieb, sich auf Google Maps den vielversprechenderen Weg auszugucken.
„Ach, weißt du was“, sage ich, als mein bester Freund P. gerade sein iPhone aus der Tasche zieht. „Scheiß auf Google Maps, wir gehen jetzt einfach los.“ Und dann spaziere ich dem „Gaststätte“-Schild hinterher, und das zeigt nach rechts. Und P., der mir (und auch sonst keinem!) nie kommentarlos folgt, spaziert mir tatsächlich wortlos hinterher. Vielleicht ist er krank.
Wir gelangen zur angekündigten Gaststätte. Sie heißt: „Im Kühlen Grund.“ Und wie man im Netz nachlesen kann, hat sie eine lange, über hundertjährige Tradition – und ist seit Sommer 2018 geschlossen.
Auf einem Schild lesen wir mit Kreide geschrieben: „Baldige Neueröffnung.“ Und als unser Blick auf die ehemalige Außenterrasse nahe der Düssel fällt, hat mein bester Freund P. prompt eine Biergarten-Vision: „Also, das könnte richtig schön werden, hier mitten Neandertal, von Düsselplätschern begleitet.“
Wir folgen dem Weg, vorbei an einem Bach, der kurz darauf in die Düssel münden wird. Noch sehen wir unser Flüsschen nicht, aber wir ahnen, wo es verläuft, halten uns an der nächsten Ecke scharf links. Richtung Gruiten-Dorf. Und dann sehen wir es in eine scharfe Kurve „einfließen“: Etwa 15 Meter unterhalb des Wanderwegs, begrenzt von einer Wiese.
Hundert Meter weiter flussaufwärts ist die Düssel schon wieder verschwunden, hinter Gestrüpp und Bäumen. Wir befinden uns nämlich nicht nur auf dem „Neanderlandsteig“ bzw. dem „Bergischen Weg“ (siehe Schilder), sondern auch im Wald, mehr oder weniger. Einem „Buchenwald“, wie wir auf einer Infotafel am Wegesrand erfahren.
Der Weg führt geradeaus auf ein weiteres Häuschen zu, diesmal jedoch keine Gaststätte. Und an eben dieser Stelle treffen wir erneut auf die Düssel, die hier von einer schmalen Fußgängerbrücke überquert wird.
Wir könnten nun darüber rätseln, was genau mit dem Hinweis-Schild „Geologische Aufschlüsse“ gemeint ist, aber stattdessen diskutieren wir das weitere Vorgehen.
Mein bester Freund P. will die Etappe an dieser Stelle beenden, zurück zum Parkplatz spazieren, aber über eine andere Route. „Wir könnten den kleinen Pfad da vorne nehmen“, schlägt er vor. „Dann kommen wir wahrscheinlich zickzackmäßig an der anderen Fluss-Seite entlang wieder dort raus, wo das erste „Gaststätte“-Schild steht.“
Ich überrede ihn, zunächst noch etwas weiter flussaufwärts Richtung Gruiten-Dorf zu spazieren. Auch deswegen, damit wir beim Start der nächsten Etappe, also dem Ende dieser, in der Nähe parken können.
Die Düssel schimmert hinter dichtem, blätterlosem Gebüsch hindurch. Zwischendurch öffnet sich ein „Durchgang“ direkt zum Ufer. Wir erleben eine der bisher schönsten Düssel-Stellen unserer 2014 begonnenen „Reise“. Wild fließt sie, zwischen großen Steinen hindurch, terrassenförmig, an bemoosten, in den Fluss gefallenen Baumstämmen vorbei. Plätschert, gurgelt, quillt. Einige Fotos, ein Filmchen. Und weiter …
Der Weg führt zu einem einsam gelegenen Anwesen mit Palme, „bewacht“ von einer imposanten Neandertal-„Klippe“ und einem Teich, der – wie uns Google Maps verrät – „Stipps Teich“ heißt.
Wir beschließen: Hier geht es bei der nächsten Etappe weiter. Und jetzt: zurück zum Auto. An der eben erwähnten Fußgängerbrücke biegen wir in einen schmalen Wanderpfad ein.
Der Wanderpfad ist Teil der „Entdeckerschleife Kalkspuren“ des Neandertalsteigs. Wir „entdecken“ prompt eine weitere Brücke, mit einer ziemlich alt aussehenden Steinmauer zu ihren Füßen. Und freuen uns, dass neben dem Moos auch noch einige Farne „grün“ in die Szene hineintupfen.
Nächste Entdeckung am Pfad hinter der Brücke: Eine Imkerei im „Winterschlaf“. Auf dem Imker-Häuschen: Bienen-Streetart. Während Manolo nicht auf die Wiese kackt, weil kacken dort verboten ist, erahnen wir am Wiesenrand den Düssel-Verlauf.
Vom Schotterweg aus biegen wir auf einen asphaltierten Weg links ab.
„Bracken heißt die Straße“, triumphiert mein bester Freund P., auf seinem iPhone Google Maps checkend. „Eine alte Bekannte!“ Der spontane „Rundweg“-Plan geht auf.
Wir fotografieren erst mal eine Art Maulwurfschutz-Zone am Wegesrand.
„Wenn ich Maulwürfe im Garten hätte, dürften die nach Belieben alles umgraben“, sagt P., und ich habe dabei nicht nur den kleinen Zeichentrick-Maulwurf meiner Kindheit, sondern auch meinen Großvater im Kopf, der an einer Vorliebe für englischen Rasen „litt“ – und Butterblümchen wie Maulwürfe erbittert bekämpfte. „Man sollte viel öfter alles Mögliche umgraben“, philosophiert P. derweil, „am besten auch im Kopf.“
„Und man sollte auch viel mehr lesen, statt Abend für Abend immer neuen Netflix-Serien hinterherzulaufen“, sage ich, als wir nach zwei Dutzend Metern auf einen offenen Bücherschrank stoßen.
Schon das zweite Open-Air-Antiquariat, das wir hier in der Gegend entdecken. Diesmal wird allerdings kein Senf dazu verkauft.
Ich nehme das Buch-Angebot im Regal unter die Lupe, lese einige Titel vor: „Jenseits von Eton? Die Umkehrung der Liebe? Der Salamander? Oder Nur der Pudding hört mein Seufzen?“
Mein netflixsüchtiger Freund P. schüttelt den Kopf: „Wie wär´s mit: Der 45jährige, der einen Düssel-Spaziergang abbrach und verschwand?“ Und schiebt grinsend nach: „Ich muss zur Arbeit!“
Einen Fachwerkhof, den wir schon bei der vorhergehenden Etappe fotografiert haben, passierend stoßen wir wieder auf die Düssel. Manolo pinkelt die Düssel-Brücke an – und nimmt sie damit in „Besitz“ (falls hier ein Hund mitlesen sollte!).
„Im Grunde genommen ist das ja heute eine Weihnachstfolge“, sagt mein bester Freund P., der noch Geschenke kaufen muss.
„Ja, aber eine Weihnachtsfolge, in der nicht einmal das Wort Weihnachten vorkommt“, sage ich.
„Quasi“, sagt P.
Dann noch einige „Abschiedsfotos“ – und zurück in den Alltag.