Wülfrath-Düssel

(#52) Die Furt in Düssel an der Düssel

in Bergisches Land/Natur/Wuppertal

Wie wir den einzigen Ortsteil der Welt, der nach Deutschlands bekanntestem unbekannten Fluss benannt ist, durchqueren / Wie wir dabei einem sprachlosen Heimatdichter begegnen / Und wie am Ende der Aprather Mühlenteich zum Beginn des Endspurts zur Quelle wird.

Je näher wir der Quelle kommen, desto „schlampiger“ werden wir. Soll heißen: Wo wir „früher“ (also 2014 bis 2016 in Düsseldorf und Erkrath) noch Etappe für Etappe versuchten, unserem Flüsschen so nah wie möglich zu kommen, nehmen wir heute den Abstand gelassen hin. Laissez-Faire statt streng am Ufer. Weglaufen kann die Düssel ja ohnehin nicht, auch wenn sich ihr Bett zwischendurch auf unzugänglichen Wiesen und Waldstückchen oder privatem Gelände ausbreitet.

Auch heute ist wieder so ein Tag, das wird schon bei der Vorab-„Besichtigung“ der geplanten Strecke auf Google Maps klar: Da, wo wir die Düssel beim letzten Besuch verließen, können wir ihrem Ufer nicht folgen. Also sparen wir uns die 200 bis 300 Meter und parken an der Dornaper Straße/Höhe Dorfermühlenweg. Direkt in Wülfrath-Düssel also, dem einzigen Ortsteil der Welt, der nach Deutschlands bekanntestem unbekannten Fluss benannt ist. 

Zwanzig Leicht-abwärts-Meter auf dem Hohlweg, vorbei an zwei Papiercontainern, und dann stehen mein bester Freund P. und ich auch schon auf der Düssel. Genauer gesagt: auf einer Fußgängerbrücke über der Düssel.

„Ist die schmal hier“, sagt mein Begleiter. „So schmal war die ja noch nie.“

Mit „noch nie“ meint P. natürlich die bisherigen rund 30 Kilometer, die wir von der Rheinmündung bis hierhin abgelaufen sind. Tatsächlich könnte man den Bach unter uns an manchen Stellen mit einem einzigen großen Schritt überqueren. Breite: allenfalls anderthalb Meter.

Wir spazieren zurück zur Dornaper Straße, die quasi die Hauptdurchgangsstraße ist und ebenfalls von der Düssel unterquert wird. Ein paar Fotos vom Brückengeländer, ein Blick gen Wasser – und weiter: Nicht am Ufer entlang, denn das liegt hier in einem der anfangs erwähnten „Sperrgebiete“, sondern Richtung Ortsmitte, dem Straßenverlauf folgend („Neuer“ Name: Tillmansdorfer Straße). Von dort aus wollen wir später parallel zum Düssel-Verlauf weiter vorankommen.

An der Abzweigung zur Dorfstraße: Eine Kreisparkassen-Filiale. Und: Wahlplakate.

„Ich hätte hier eher einen Landwirt von der CDU erwartet, als einen Piloten von der Piraten-Partei“, konstatiert mein bester Freund P. „Dachte die Piraten gibt´s gar nicht mehr.“
„Du mit deinen arrogant-urbanen Vorurteilen“, sage ich.
Wir verstehen uns.

Der Asphalt glänzt eben-hats-noch-geregnet-feucht, bewacht von Fachwerkhäusern. Mein Begleiter entpuppt sich als Fachwerkhaus-Fan, macht ein Smartphone-Foto nach dem anderen. Und während die Fußgängerampel rot anzeigt, entdeckt er auf dem Vorfahrtsstraßenschild einen grünen Aufkleber, der die Legalisierung von Marihuana fordert.

Und dann kommt: Carl Schmachtenberg. Bisher kannten wir ihn nicht, doch wie er da so steht, direkt vor der Sparkasse, ist er nicht zu übersehen: Lässig an der Mauer aufgestützt, die den Kundenparkplatz vom Bürgersteig abschirmt. Falten auf der Stirn, gestutzter Bart, Halbglatze, schicke jacketähnliche Jacke.

„Ej, Carl, du Granate“, spricht P. ihn an – doch Carl antwortet nicht.
„Man könnte meinen, du wärst eine Statue“, sagt P. – und dann zitiert er aus Schmachtenbergs Wikipedia-Eintrag:

Carl Schmachtenberg (* 1. November 1848 in Hugenbruch (Gemarkung Oberdüssel); † 28. Januar 1933 ebenda (heute zu Wuppertal) war ein deutscher Schriftsteller. Er verfasste zahlreiche Gedichte und Prosatexte in bergischer Mundart und gilt als wichtiger Heimatdichter des Bergischen Landes.

Wir lassen Carl allein, spazieren weiter die Dorfstraße entlang – bis wir uns entscheiden müssen: links, rechts, schräg geradeaus. Drei Abzweigungen, die allesamt weiterhin Dorfstraße heißen. Kurios. Wir nehmen die rechte Variante, erreichen nach 50 Metern den vor der katholischen Kirche gelegenen Dorfplatz. Wo ist die Düssel? Wir könnten uns links halten, dort dem Straßenverlauf (immer noch Dorfstraße, was sonst?!) mehr oder weniger Parallel zu unserem Flüsschen folgen.

Doch vorher machen wir noch einen kleinen Abstecher zur „Düssel-Furt“, die sogar auf Google Maps als Sehenswürdigkeit verzeichnet ist. 200 Meter den Kirchenfelder Weg entlang (eine schmale Tempo-30-Allee), und dann – an der Ecke Voisberger Weg – haben wir die Stelle erreicht.

Im Netz findet sich die „offizielle“ Info:

Die Furt ist bereits in der Topographischen Karte von 1843 eingetragen. Die Anlage demonstriert eine herkömmliche, inzwischen selten gewordene Art der Gewässerüberquerung und ist dadurch von verkehrsgeschichtlicher Bedeutung. Die Furt Kirchenfelder Weg ist eingetragenes Bodendenkmal.

Mein bester Freund P. vertont das am Düssel-Ufer aufgestellte Warn-Schild: „Achtung Flutwelle! Bachbett nicht betreten. Lebensgefahr.“ Sein Kommentar, auf die an der Furt etwa einen Meter breite Düssel deutend: „Wirkt leicht übertrieben. German Angst und so.“
„Wer weiß, was hier bei Tauwetter und Starkregen los ist“, sage ich.
„Wer weiß, ob wir bei Tauwetter und Starkregen nicht mal mit meinem Kanu hier vorbeischauen und uns von der Flutwelle nach Düsseldorf treiben lassen“, sagt er, während sein Hund Manolo, der ebenfalls wieder mit dabei ist, durchs Wasser trottet.
„Das Schild gilt eh nur für Kinder“, sage ich. „Gesponsert von Playmobil.“

Und nachdem wir nun genug Quatsch geredet haben, gehen wir zurück an die „Arbeit“ – und folgen der Dorfstraße.

Links passieren wir die Kutscherstuben bzw. den Kutschergarten – ein sympathisch erscheinendes Lokal mit Außenbestuhlung, das in einem schieferreichen Fachwerkhaus untergebracht ist. Rechterhand geht eine Straße namens „Haus Düssel“ ab. Wir beschließen, sie beziehungsweise das vermutlich dazugehörige Gebäude auf dem Rückweg zu besuchen. Im Dorfstraßen-Hintergrund ist bereits die evangelische Kirche zu sehen. Weiter: vorbei an einem Blumengeschäft und am Friedhof. Es geht leicht bergauf, Sonnenblumen am Wegesrand.

Mein Begleiter fotografiert noch schnell einen weiteren Aufkleber, wieder ist er grün, aber diesmal weist er auf „Vacation Records“ hin, und eine Smartphone-Sofort-Recherche ergibt, dass es sich um einen Plattenladen im nahen Wuppertal handelt.  An eben dieser Stelle ändert die omnipräsente Dorfstraße endlich ihren Namen: Düsseler Feld heißt sie fortan, und auch dieser Name ist treffend. Ein aphaltierter Feldweg eben. Links: Feld, dezent ansteigend. Rechts Feld: dezent abfallend. Im „Tal“ ist ein Bachbett zu erkennen, und Google Maps verrät uns, dass die von Bäumen und Sträuchern gesäumte Düssel auf der von Schafen begrasten Wiese zweigeteilt verläuft. Näher zu uns und zum Weg der „schmalere“ Düssel-Arm, etwas weiter entfernt der „breitere“.

Schließlich erreichen wir das Ortausgangsschild. Wird natürlich fotografisch festgehalten so etwas. Wo sonst sieht man das Wort „Düssel“ so prägnant auf einem Schild. Die Düssel verläuft etwa fünfzig Meter von uns entfernt hinter der grünen Wiese, auf der eines dieser untersetzen Pferde grast, das – wir sind Pferde-Laien – ein wenig so aussieht, wie Louis de Funes mit langer Mähne und ganz viel Muskeln.

Die Google-Karte verrät, dass der Düsselbach (auf dem ausstehenden Weg zur Quelle werden ihn so nennen, selbst „Flüsschen“ wäre inzwischen übertrieben) nur wieder vereint ist, sich aber gleich wieder trennen wird. Das alles natürlich fluss-aufwärts, äh, bach-aufwärts gesehen.

Cloudporn. Eine von Bäumen eingerahmte Bank. Ein Anwesen am rechten Wegesrand, dann kein Feld, dafür ein Wäldchen, und dann, an der Kurve Richtung Aprather Mühlenteich,  sehen wir den Düsselbach wieder. Dazu noch ein Aufkleber: diesmal weist er auf eine Kaffeerösterei in Haan hin.

Noch ein paar Fotos vom Mühlenteich. Von hier aus werden wir beim nächsten Treffen weiter in den Endspurt gehen. Zwei oder drei Etappen, dann dürften wir am Ziel sein. „Hat ja nur sechs Jahre gedauert“, sagt mein bester Freund P. und grinst sein P.-Grinsen.

Auf dem Rückweg machen wir noch einen Haus-Düssel-Schlenker. Wikipedia teilt bereits im ersten Satz mit, dass es sich beim Haus Düssel um eine Wasserburg und einen ehemaligen Rittersitz handelt, der bereits 1182 urkundlich erwähnt wurde. Das, was wir sehen, scheint allerdings nur die „Vorburg“ zu sein. Den Rest gibt es nicht mehr. Kein Wasser, keine Burg. Aber: Man kann hier essen, in einem Restaurant.

Wir machen indes einen Kaffee-plus-Lunch-Abstecher. Ins Katzengold, im nur 15 Autominuten entfernte Luisenviertel (Wuppertal-Elberfeld) …

 

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