(#10) Mit Rodriguez Faszanatas – ohne Kondom

in Düsseldorf

Wie man sich mitten in Bilk wie im Neandertal fühlt / Warum ein Trampelpfad schön sein kann / Und wie man, ohne ihn zu suchen, den Weg zum Jupp-Pitter findet.

Mein bester Freund P. und ich stehen vor dem Trampelpfad, der unseren Fluss Flüsschen stromaufwärts begleitet. Bevor sie in eine schmale Betonröhre gequetscht wird (siehe Folge 9), darf die Düssel hier noch in ihrer Wohlfühlbreite von vier bis Fünf Metern Richtung Rhein fließen.

„Ob der Pfad diesmal länger ist als 50 Meter?“, frage ich.

„Nein“, vermutet mein bester Freund P., der vor mir marschiert, weil der Weg zu schmal fürs Nebeneinanderherlaufen ist. „Schau!“ Er zeigt nach vorne. „Da ist schon wieder Schluss!“

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Diesmal ist es keine Mauer, sondern eine Art Holzverschlag, der das Fortkommen verhindert. Wir machen Fotos, und auf denen wirkt die Düssel kurz vor der auf Google Maps angezeigten scharfen Linkskurve (wieder mal!) nicht so, als würde sie gerade mitten durch das Innenstadt-nahe Düsseldorf-Bilk fließen.

„Fast wie im Neandertal“, sage ich, während ich die zwischen Sträuchern und Bäumen verlaufende Düssel betrachtete.

„Warst du schon mal da“, fragt mein bester Freund P.

„Nein.“

„Du?“

„Zuletzt vor mehr als 15 Jahren, in diesem Neanderthaler-Museum“.

„Bis wir die Düssel bis dahin zurückverfolgt haben, dauert es bei unserem Tempo wahrscheinlich noch ein halbes Jahr.“

„Mindestens“, meint P. „Und das ist auch gut so!“

Wir wenden und spazieren den Trampelfpfad zurück zur Robert-Luther-Straße.

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„Wie wohl dieser Pfad entstanden ist?“, fragt P.

„Der ist erst da, seit wir dieses Blog machen“, sage ich. „Scheinbar gibt es unter den Lesern einige, die uns etappentechnisch überholen wollen und den Weg schon mal vorbereiten.“

„Haha“, macht P. und pegelt seine Stimme auf das typische P.-Ironie-Niveau ein: „Aber mal im Ernst: Was überhaupt kann es für einen Grund geben, hier an der Düssel entlang zu spazieren – außer man schreibt ein Blog drüber?“

„Wie jetzt!“, frage ich in gespielter Entrüstung. „Vielleicht spielen hier Kinder? Oder Leute führen ihren Hund aus?“

Wir erreichen das Pfad-Ende und treten wieder auf den Weg, der aus welchen Gründen auch immer im Stadtplan zur Straße geadelt wurde. Als wir zwischen den Gebüschen auftauchen, mustert uns ein vorbeispazierendes Rentner-Ehepaar misstrauisch aus den Augenwinkeln.

P. grinst und sagt übertrieben laut: „Einen wunderschönen guten Tag, die Herrschaften!“

„Tach“, sagt der Mann, runzelt die Stirn und wendet schnell den Blick ab. Die Frau schweigt.

P. holt einen 50-Euro-Schein aus seinem Portmonee und wendet sich mir zu. „Also, danke noch mal, hier ist dein Honorar, das war wirklich gut, nächstes Mal treiben wir es wieder hier im Gebüsch. Toll, dass du bereit warst, auf ein Kondom zu verzichten.“

Die Rentner haben sich umgedreht und sehen, wie mir P. mit todernstem Gesicht den Schein in die Hand drückt. „Wie war noch mal dein Name?“, fragt er.

Die beiden Alten starren mich an. Meine Gesichtsmuskeln zittern. Jetzt nicht laut loslachen! Mit letzter Beherrschung presse ich einen Namen heraus, der uns beiden ein Begriff ist: „Rodriguez Faszanatas.“

„Rodriguez?!“, sagt P. „Das ist aber ein schöner Name! Bist du Spanier?“

„Nein.“ Ich überlege. „Äh … also … ich komme aus Eller … äh … Düsseldorf … Aber meine Mutter ist ein Fan von Placido Domingo.“

P. mustert mich, und ich sehe, wie auch er damit kämpft, nicht loszuprusten. „Ja, aber dein Nachname Faszanatas, der klingt doch auch nicht wirklich nach Eller.“

„Das ist mein zweiter Vorname“, sage ich und ziehe P. am Arm. „Musst du auch da lang? Ich will dir noch etwas zeigen.“

P. nickt und wir spazieren zwischen einigen Garagen Richtung Suitbertusstraße.

Das Rentner-Ehepaar wendet sich kopfschüttelnd ab. „In Eller stirbste schneller“, murmelt der Mann im Gehen und erhält daraufhin von seiner Frau einen Knuff in die Seite.

Lachen können wir immer noch nicht, denn dummerweise nehmen die Rentner nun den gleichen Weg, laufen nur kurz hinter uns. Wobei: Natürlich können wir das! Stellt sich eher die Frage: Was hindert uns daran? Wahrscheinlich ist es so eine Art unausgesprochene Übereinkunft zwischen P. und mir: Da wir unseren Scherz jetzt mit ernsthafter Miene angefangen haben, bringen wir ihn auch so zu Ende. Die Rentner haben schließlich ein Recht darauf, ordnungsgemäß zu Ende veräppelt zu werden.

Auf der Suitbertusstraße angekommen, strecke ich den Arm aus und zeige schräg über die Straße auf ein graues, vierstöckiges Mehrfamilienhaus. Im Erdgeschoss befindet sich eine Kneipe: „Zum Jupp-Pitter“. Den Werbeschildern nach wird Warsteiner-Pils und Frankenheim-Alt ausgeschenkt, durch das Fenster der Kneipe schimmert eine Fortuna Düsseldorf-Fahne, davor steht ein einsamer Biertisch.

P. reagiert wie erwartet: „Genial“, murmelt er. „Einfach genial! Erst `Pyjama, der Treffpunkt für ausgeschlafene Leute´, und jetzt `Zum Jupp-Pitter´! Alter, Bilk rockt! Old School! Solche Namen musst du dir erst mal ausdenken, da würdest du bei uns in der Branche einen Kreativpreis für bekommen!“

In diesem Moment klingelt sein Handywecker. „Ich muss los, mein Team wartet auf mich. Aber der da …“, er zeigt auf ein Strichmännchen, das neben der Kneipe an die Wand gesprayt worden ist und so aussieht, als würde es nur darauf warten, dem nächsten besoffenen Kneipenbesucher eins über den Schädel zu ziehen, „der da macht mir ohnehin Angst!“

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„Nächste Woche wieder?“, frage ich.

„Nächste Woche wieder!“, sagt P. und trabt los. „Ich bin spät dran!“

Ich schlendere hinterher. Als mein bester Freund P. die Düssel-„Brücke“ erreicht, bleibt er kurz stehen, dreht sich er sich um und ruft mir zu: „Ej Rodriguez, jetzt hast du ganz vergessen zu lachen!“

„Gab es hier etwas zu lachen“, sage ich mit rollendem „rrrr” und Hitler-Stimme und verziehe dabei keine Miene.

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P. zeigt mir grinsend den Stinkefinger, dreht sich um und verschwindend joggend Richtung Karolingerstraße.

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