(#40) Die therapeutische Düssel-Runde – Teil 1

in Erkrath/Neandertal/Natur

Wie sich Gast-Flaneur Caterina Klusemann in ein italienisch anmutendes Landhaus am Rande der Düssel verliebte / Welche alten Geschichten ihr neues Restaurant Neandertal No. 1 zu erzählen hat / Und warum ein Spaziergang entlang der Düssel (fast) alle Probleme löst.

Zu Anfang dieser Blog-Folge fahre ich mit dem Auto gegen einen Buchtitel – aber nur fast. Er lautet „Engstelle im Bewegungsverkehr“ und steht auf einem Warnschild am Rande der steilen Straße, die sich von Erkrath-Hochdahl aus bergabwärts schlängelt und zuerst Feldhof und später Neandertal. Keine Chance den Buchtitel fotografisch festzuhalten, zu gefährlich. Und auch der dazugehörige Roman müsste noch geschrieben werden 😉

Während ich mir vorstelle, wie sich Kreativbürokraten stunden-, tage-, wochenlang den Kopf zerbrechen, bis sie sich endlich für „Engstelle im Bewegungsverkehr“ entscheiden, bin ich schon ganz unten angekommen. Dort biege ich vor dem Hotel-Restaurant „Haus Becher“ und dem Neanderthal-Museum rechts in die Talstraße und dann in den Museumsparkplatz ein und stelle meinen Wagen ab.

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Über dem Parkplatz thront ein kompaktes Steinhaus. Die Düssel ist nur rund 30 Meter entfernt. Aus den Fenstern der oberen Stockwerke müsste man sie sehen (und vermutlich auch hören) können. Nachdem mein bester Freund P. und ich auf der vorigen Etappe beim Neanderthal-Museum umgekehrt sind, werden wir heute von hier aus die heutige An-der-Düssel-Tour beginnen. Ich mache erst einmal ein paar Bilder vom Haus und bin dabei auf mich allein gestellt: Mein bester und noch dazu stets eifrig fotografierender Freund P. ist heute mitsamt seines iPhones zu Hause geblieben – so wie auch beim ersten Mal, als wir in diesem Blog einen Gast-Flaneur dabei hatten. Diesmal ist P. jedoch nicht krank, sondern „nur“ beruflich unterwegs.

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Der heutige Gast-Flaneur ist eine Gast-Flaneurin. Sie heißt Caterina Klusemann, hat das Steinhaus vor etwas mehr als einem Jahr gekauft, es mit ihrem Mann in mühevoller Kleinarbeit saniert und dabei den gastronomischen Teil des Gebäudes – die ehemalige Neander-Stuben – in ein stilvoll-modernes Ausflugslokal verwandelt. Es heißt so wie seine Postadresse, mit leicht veränderter Schreibweise: Neandertal No. 1. Die lokale Presse berichtete bereits ausgiebig, sowohl vor der Eröffnung, als auch danach.

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Eine Minute später sitzt Caterina auf dem Sofa im Café-Vorraum, in dem eine offene Küche untergebracht ist. Aus der hat sie zwei Becher mit Milchkaffee mitgebracht. Über ihr in den Regalen der Lese-Ecke: Gestapelte Kinderbücher für den Gäste-Nachwuchs. Außerdem mehrere Kunstbände – darunter zwei, die das Werk ihres verstorbenen Vaters Georg Klusemann dokumentieren, einem aus Essen stammenden Maler und Absolventen der Düsseldorfer Kunstakademie. Auch das große Bild an der Wand ist von ihm.

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Wie bereits in einer früheren Folge dieses Blogs erwähnt  war das Neandertal in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts der Lieblings-Treffpunkt der Düsseldorfer Kunstszene. Und jetzt führt hier die Tochter eines Absolventen der Düsseldorfer Kunstakademie gewissermaßen die Tradition fort: mit einem Lokal, das der Geschichte des Hauses Rechnung trägt, mit Kunst an den Wänden und einem Kulturprogramm (in Planung). Passt!

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Caterina Klusemann ist selbst künstlerisch unterwegs, denn eigentlich ist die Neu-Gastronomin Regisseurin. Über ihren Vater Georg hat sie vor einigen Jahren einen Dokumentarfilm gedreht. Ihre Werke laufen bei Arte und im ZDF, erst kürzlich war das neueste zu sehen. „Momentan widme ich jedoch den größten Teil meiner Zeit diesem Haus“, sagt sie. „Die Sanierung ist noch lange nicht abgeschlossen, aber inzwischen haben wir das Gröbste hinter uns, und der Gastronomiebetrieb läuft – wenn auch bisher nur am Wochenende.“ Unten werden (nicht nur) Kaffee und Kuchen serviert, oben wohnt Caterina mit ihrem Mann, den Kindern und Hündin Aimi. Eine Ferienwohnung im 2. Stock ist seit Kurzem bezugsfertig und wird im Netz bereits gerne gebucht – „sowohl von deutschen, als auch von internationalen Gästen.“ Weltberühmtes Neandertal …

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Der Hauptgastraum kann auch für Veranstaltungen reserviert werden. An eben diesem Vormittag tagen dort die Macher von „Urbanana“ – einem Projekt, bei dem in Kooperation mit Vertretern kreativer Branchen der Städtetourismus in NRW über den klassischen “Besichtigungs- und Shoppingtourismus” hinaus gefördert werden soll. Wäre mein bester Freund P. heute mit von der Partie, so würde er jetzt womöglich den Raum stürmen, um (wieder mal) auf die Popkulturgeschichte Düsseldorfs der 70er und 80er zwischen Kraftwerk, Punk und Krautrock hinzuweisen. Die ist nämlich (wir erwähnten es in diesem Blog bereits einige Male) in der elektronischen Musikszene weltweit ungefähr so berühmt wie das Neandertal bei den Archäologen. P. ist der Meinung, die Stadt Düsseldorf unternehme viel zu wenig, um diesen Schatz („Alleinstellungsmerkmal!“) international zu vermarkten, etwa durch ein Düsseldorf Pop-Museum. Dafür freut er sich auf die Electri_City_Conference, die Düsseldorfs Musikerbe pflegt und fortführt (2017: 27./28. Oktober).

Eine weltbekannte Musikerin aus Düsseldorf – wenn auch aus einem anderen Genre – war bereits im Neandertal No.1 zu Gast: Doro Pesch. An den Besuch der Queen oft Metal erinnert eine Autogrammkarte mit Widmung, die in einer Vitrine ausgestellt ist. Ansonsten findet sich dort eine Dia-Show des Umbaus im E-Rahmen. Außerdem: „Dinge, die wir beim Renovieren  gefunden haben.“ Als da wären: Ein altes Tagebuch. Schwarzmarktware, die zwischen Balken versteckt war: Africaines Zigaretten, Faro Tabak und Persilwaschmittelpackungen. Ein hundert Jahre altes Waffeleisen. Schuhe von Kalkarbeitern. Ein Apothekerfläschchen von 1879.

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Kurz darauf stehen wir draußen, mit Blick auf die Außenterrasse und Kaffeebechern in der Hand. Tatsächlich würde man die Architektur des wuchtigen Hauses mit den dicken Mauern und den geschwungenen Bögen spontan eher nicht im Bergischen Land verorten. „So wurde in der Gegend eigentlich nicht gebaut“, bestätigt Caterina, „das Haus hat mich sofort an Italien erinnert, und das war natürlich auch ein Grund, warum ich mich spontan verliebt habe.“ Dazu muss man wissen: Caterina ist in Italien geboren, wo auch ihre Mutter immer noch lebt. „Mir hat jemand erzählt, dass im Tal zur Zeit des Kalkabbaus ab 1842 auch viele Italiener gearbeitet haben, und ich bin mir sicher, dass die auch 1852 beim Hausbau ihre Finger mit im Spiel hatten.“ Das Resultat: Toskana-Flair – mitten im Neandertal.

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Und nun: der Düssel-Spaziergang mit Caterina Klusemann. Gegen den Strom, wie immer. Wir gehen über den Parkplatz zur kleinen Fußgängerbrücke, die das Flüsschen quert – kurz bevor es „Verstärkung“ vom Mettmanner Bach bekommt. „Wenn ich mich entspannen möchte, mache ich mich auf den Weg zur Düssel“, sagt Caterina. „Ich nenne das `meine kleine therapeutische Runde´.“
Und dann erzählt sie von den vielen kleinen und großen Problemen, die es bei der Sanierung des Hauses gab – und immer noch gibt.
„Wenn ich beim Spaziergang dem Plätschern und Gluckern der Düssel lausche, dann kann ich durchatmen, und meistens stellt sich dabei die passende Inspiration ein, um die Probleme zu lösen.“ Sie gerät ins Schwärmen: „Weiter flussaufwärts ist es wunderbar still, dazu die Geräusche der Düssel, der Vögel, des Waldes – in Kombination mit dem gebrochenen Licht ist das einfach fantastisch und durch den Wechsel der Jahreszeiten auch immer wieder neu.“

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Na dann los! Doch vorher will Caterina noch etwas zeigen. Denn eben hier – auf der Fläche vor ihrem Haus, schräg gegenüber des Neanderthal-Museums – wird in Zukunft so Einiges passieren: Es wird ein „Auftaktplatz“ gestaltet, einige alte Bäume müssen weichen, dafür eröffnet sich eine offene Sichtachse zwischen dem Zusammenfluss von Düssel und Mettmanner Bach sowie dem Neanderthal-Museum und Caterinas Haus.

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Wir stehen an einem in die Jahre gekommenen Holzgeländer. In Zukunft werden Düssel und Mettmanner Bach in diesem Bereich renaturiert. „Die alte Brücke kommt weg, dafür wird es zwei spektakuläre neue Brücken geben“, sagt Caterina. „Eine wird von hier aus Richtung Museum führen, eine andere zum Spielplatz. Man wird diese Ecke in zwei Jahren wahrscheinlich kaum wiedererkennen.“ Wir überqueren die Düssel über die bestehende Brücke und folgen ihr flussaufwärts, über den Spielplatz, der jetzt mit viel Sand, einigen großer Steinquadern, einer Sitzecke und begrenzt von Jägerzaun noch eher spartanisch wirkt.

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„Hier kommt ein Steinzeitspielplatz mit einem acht Meter hohen Kletterturm hin, außerdem ein Wasserspielplatz.“ Noch wirkt das Gelände rund um den alten Spielplatz zum Teil recht wild. Was sonst noch im Detail geplant ist und warum, können Interessierte dem „Masterplan Neandertal“ entnehmen, über den hier und da schon ausführlich berichtet worden ist. Caterinas Resümee, als wir eine T-Gabelung samt Wegweiser erreichen: „Ich glaube, das wird ein richtig schönes Projekt!“

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Die Bäume hier haben sich mit ihren Wurzelfüßen am Steilhang festgekrallt. Wir halten uns rechts – Richtung „Eiszeitliches Wildgehege” und „Steinzeitwerkstatt“. Ein angenehm federnder Waldweg, bedeckt mit Frühherbstblättern. Vorbei an einem Schild, das an ein durch Vandalismus zerstörtes Kunstwerk erinnert – Teil des „Kunstweg MenschenSpuren“, einem seit 2002 bestehendem Skulpturenwanderweg mit Werken von elf Künstlern, der am Neanderthal-Museum beginnt und das Spannungsfeld Mensch-Natur plastisch machen soll.

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Und sonst? Linkerhand: Bemooste Baumwurzeln am Hang. Rechts: Der Neandertal-Wald. Irgendwo dahinter liegt, nein, fließt die Düssel in ihrem Bett. Nach rund 150 Metern, als der Weg sich in eine Kurve schlängelt, treffen wir sie wieder. Von einer Steinbank aus kann man beobachten, wie unser Flüsschen von der Herbstsonne verwöhnt wird. Die Bank ist keine gewöhnliche Bank: Sie gehört ebenfalls zum Skulpturenpfad, und sie trägt den Titel „Bugatti Bench“. Inschrift: „Bare stream racing like a Bugatti“. Stimmt! Und die Düssel schon gar nicht …

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Weiter. Vorbei an weiteren Stationen des Skulpturenpfades. Wer sich für Details und die Künstler interessiert, erfährt hier mehr.

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Als am gegenüberliegenden Ufer die Steinzeitwerkstatt in den Blick kommt, mache ich mit dem Smartphone ein kurzes Düssel-Plätscher-Video. Derweil kommentiert Caterina die Klang-Vielfalt ihrer „therapeutischen Runde“: „Die Düssel ändert immer wieder ihren Sound, je nach Jahreszeit und Flussabschnitt und je nachdem wieviel Wasser sie führt. Es gibt Stellen wie diese – da plätschert sie –, an anderen gluckert oder rauscht es.“

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An einigen Abschnitten wirkt das Düssel-Ufer sehr lehmig. Als Mutter von Kindern, die die Düssel zum alltäglichen Spielplatz erkoren haben  zum Beispiel über umgestürzte Bäume das Flüsschen überqueren oder auf eine kleine Insel hinüberspringen, ist Caterina zwangsläufig zur „Lehm-Expertin“ avanciert: Der Lehm wandert nicht nur regelmäßig an den Schuhen ihrer Kinder zu ihr ins Haus. „Sie sammeln ihn auch als Bau- und bastelmaterial und bewahren ihn für später auf.“ Eine Düssel-Kindheit im Neandertal.

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Etwas weiter flussaufwärts gerät erneut eine Brücke ins Blickfeld, die Düssel wird hier flacher und breiter.  Kurz darauf stehen wir vor einem Schild mit der Aufschrift „Wildgehege Neandertal“.

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„Hier überquere ich bei meiner kleinen Runde immer die Brücke, und dann geht es auf der anderen Uferseite zurück zum Parkplatz“, erzählt Caterina. „Manchmal mache ich aber auch die große Runde – die umfasst noch mal einen Schlenker entlang des Wildgeheges.“

Ein Blick auf die Uhr: Schaffen wir das zeitlich? Ja! Den Schlenker nehmen wir noch mit …

Weiter geht es in Teil 2 der „therapeutischen Runde“ mit Gast-Flaneurin Caterina Klusemann.

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