(#41) Die therapeutische Düssel-Runde – Teil 2

in Erkrath/Neandertal/Natur

Welche Fließmanieren die Düssel hat / Warum Plätschern keine Fremdsprache ist / Und warum sich der Düssel-Soundtrack zum Meditieren eignet.

Dieser Text setzt die „therapeutische Düssel-Runde“ mit Gast-Flaneur Caterina Klusemann fort, Teil 1 kann man hier nachlesen.

Etwas weiter  flussaufwärts gerät erneut eine Brücke ins Blickfeld, die Düssel wird hier flacher und breiter.  Kurz darauf stehen wir vor einem Schild mit der Aufschrift „Wildgehege Neandertal“.

„Hier überquere ich bei meiner kleinen Runde immer die Brücke, und dann geht es auf der anderen Uferseite zurück zum Parkplatz“, erzählt Caterina. „Manchmal mache ich aber auch die große Runde – die umfasst noch mal einen Schlenker entlang des Wildgeheges.“

Ein Blick auf die Uhr: Schaffen wir das zeitlich? Ja! Den Schlenker nehmen wir noch mit …

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Auf der Website des Wildgeheges Neandertal finden sich ausführliche Infos zu den drei dort lebenden Tierarten: Auerochse (Heckrind), Wisent und  Tarpan (eurasisches Wildpferd, Heckpferd).

Wikipedia sagt: Diese Tierarten lebten hier auch zur Zeit des Neandertalers und waren seine Jagdbeute, wobei Heckrind und Heckpferd Nutztiere sind, welche jeweils ihre ausgerotteten Wildformen vertreten sollen. Da das Wildgehege im Naturschutzgebiet Neandertal liegt, können weitere freilebende Tiere wie Graureiher, Baumfalken, Siebenschläfer und andere ebenfalls beobachtet werden.  

Wir folgen dem „Rundweg Wildgehege“, der laut der offiziellen Website (wenig überraschend) einmal um das gesamte Gelände herum führt und mindestens eine Stunde dauert. So viel Zeit haben wir leider nicht. Außerdem ist es ja unser Ziel, die „therapeutische Düssel-Runde“ abzuschreiten, welche die heutige Gast-Flaneurin – Filmemacherin und Neu-Gastronomin Caterina Klusemann – in ihren Alltag integriert hat. Als kreativen Auftankspaziergang …

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Auf der großen Wiese hinter dem Holzgatter wohnen die Tarpane (bzw. ihre Nachzüchtungen). Hundert Meter entfernt sind einige von ihnen zu sehen. Ihre Auerochsen-Kollegen scheinen sich jedoch gerade woanders aufzuhalten …

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Der Spazierweg führt zunächst geradeaus neben der Wiese entlang. „Wenn man dem Weg folgt, gelangt man irgendwann nach Gruiten-Dorf“, erzählt Caterina. „Das soll sehr sehr schön sein.“ Sie hat die Strecke bisher noch nicht gehen können: „Dafür war bei der Haus-Renovierug und im Café einfach zu viel zu tun.“

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Wir verlassen den Nach-Gruiten-Weg und folgen dem (nach rechts abbiegenden) Wildgehege-Rundgang. Vorbei am aucherochsenlosen Auerochsengehege – allerdings nur bis zur Düssel, die hier von einer Holzbrücke gequert wird. Auf der anderen Düssel-Seite führt der Rundweg bergauf. Doch weil hier die „Lang-Version“ von Caterinas „therapeutischer Düssel-Runde“ endet, machen wir uns anschließend auf den Rückweg zu Caterinas Lokal Neandertal No. 1.

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Vorher erregt noch ein Schild meine Aufmerksamkeit. Die Überschrift: „Typische Bewohner eines Fließgewässers (Gebirgsbach)“. Klugscheißerfrage in meinem Hinterkopf: Ob man die Düssel wirklich als „Gebirgsbach“ klassifizieren kann? Egal! Vermutlich war das Schild nur mit eben dieser Überschrift zu haben. Interessant ist es jedenfalls! Auf einer Grafik sind die Lebensräume verschiedener Tierarten dargestellt – vom Eisvogel über die Mückenlarve bis hin zu Fischen wie Bachforelle oder Elritze. Ich erzähle Caterina, dass ich schon als Kind von Fischen fasziniert war – allerdings nicht so sehr von Aquariumsfischen oder Goldfischen, eher von denen, die wirklich in der Natur „um die Ecke“ leben. Und weil ich ihr auch noch erzähle, dass es bis vor vier oder fünf Generationen viele Förster in meiner Familie gab, hat Caterina spontan einen passenden Spitznamen für mich parat: Fischförster.

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Auf dem Rückweg gelangen wir wieder zu der Stelle, wo das Wildgehege beginnt und das Düssel-Bett sehr flach und breit verläuft. Rauf auf die Düsselbrücke, Fotos machen. Von hier aus kann man ein weiteres Kunstwerk sehen, das zum bereits erwähnten Skulpturenwanderweg gehört: Eine in der Düssel liegende Steinfigur. Da die Düssel durch den Regen der vorigen Tage etwas mehr Wasser führt, sind nur die Umrisse zu sehen. Weiter gehts: Stromabwärts, am Düssel-Ufer entlang.

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Wir passieren weitere Skulpturenkunstwerke und die Steinzeitwerkstatt sowie ein einsames, offenbar unbewohntes Haus, das noch auf seine Renovierung wartet. Caterina deutet auf einen Wegweiser: „Hier geht’s nach Hochdahl-Millrath, zum S-Bahnhof.“ Während ihre älteren Kinder immer auf dem Schulweg nach Düsseldorf pendeln, wo die Familie vorher neun Jahre lang gewohnt hat, bleibt Caterina meistens vor Ort. Was ihr nicht schwer fällt, denn sie ist „verliebt“ in ihr Haus mit den dicken Mauern, den Toskana-Flair verströmenden Rundbögen und dem Flüsschen und dem Wald vor der Tür – und hat dort jede Menge zu tun.

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Auf dem Weg zurück zum Haus erzählt Caterina, dass ihr die Geschichte des Neandertals als Treffpunkt der Künstlerszene des 19. Jahrhunderts anfangs gar nicht bewusst gewesen sei. Ein „großartiger Vortrag“ der (inzwischen mehr als 80 Jahre alten) Heimatforscherin Hanna Eggerath im Neanderthal-Museum,schräg gegenüber ihres Hauses, habe sie in dieser Hinsicht sehr inspiriert. „Frau Eggerath hat für ein Buch viele alte Gemälde zusammengestellt, auf denen das Neandertal und die Düssel zu sehen sind, bevor der Kalkabbau die Landschaft hier stark verändert hat.“ Das (vor einigen Jahren neu aufgelegte und erweiterte) Buch heißt „Im Gesteins. Das ursprüngliche Neandertal in Bildern des 19. Jahrhunderts“ (wir haben es  bereits zuvor in diesem Blog erwähnt und gezeigt).

Das Neandertal und die Düssel als Lieblingsmotiv der Düsseldorfer Malerschule zwischen 1830 und 1860 – und nun ist mit Caterina die kunstinteressierte Tochter eines Absolventen der Düsseldorfer Kunstkakademie hier ansässig: „Dadurch, dass wir das Haus gekauft haben, sind aus Zufall verschiedene Stränge wieder zusammengeführt worden“, sagt Caterina. „Ich finde es berührend, dass es all diese alten Landschafts-Gemälde gibt und das Tal vor so langer Zeit ein Sehnsuchts- und Party-Ort für Düsseldorfer Künstler war.“

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Party? Im 19. Jahrhundert feierten die Künstler im Neandertal gerne Feste in (heute nicht mehr existierenden) Höhlen an den steilen Abhängen. Auch die größte verbliebene Baustelle im Haus ist eine Höhle – und könnte früher oder später für Feierlichkeiten genutzt werden. Vorbei an der Außenterrasse des Neandertal No. 1 und einer Wand, an der auf Schildern verschiedene Weinsorten angepriesen werden, führt mich Caterina Klusemann zum Höhlenzugang.

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Sie öffnet die Tür eines Haus-Seiteneingangs, zeigt mir einige Farne, die im Haus neben einer Röhre aus dem mit dem Hang verbundenen Mauerwerk wachsen. Ein paar Meter geradeaus durch den Gang, dann links – und plötzlich stehen wir vor einer circa 100 Quadratmeter großen, Feuchtigkeit atmenden Höhle.

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„Die Höhle ist damals in den Hang hinein gebaut worden“, erzählt Caterina. „Wir möchten sie ausbauen und trocken legen, und dann könnten wir sie zum Beispiel für die Gastronomie oder für Feiern und Konzerte nutzen.“

Die Höhle wäre tatsächlich eine tolle Konzert-Location! Spontan fühle ich mich an die Unplugged-Session der Fantastischen Vier in der Balver Höhle erinnert. Die ist zwar deutlich größer, aber das Höhlenkonzertflair wäre sicher auch hier nicht schlecht. „Unser Konditor hat sich auch sofort an das Konzert der Fantastischen Vier erinnert gefühlt“, sagt Caterina.  Wo wir gerade den Konditor erwähnen: Während der Öffnungszeiten des Cafés  (FR-SO) backt er „live“ vor  Publikum in der offenen Backstube.

Natürlich habe es bei der Sanierung des Hauses auch mal Tiefpunkte gegeben: „In solchen Momenten haben wir uns gefragt, ob wir nicht doch besser in unserer kleinen Wohnung in Flingern geblieben wären.“ Aber: „Wenn ich morgens aufstehe, das Fenster öffne und die Düssel höre und die Bäume rieche, dann finde ich es jeden Tag aufs Neue fantastisch hier.“ Fazit: Die in Italien geborene Kosmopolitin, die in der Schweiz, in Venezuela und in der Mongolei gelebt hat, und neben Deutsch auch perfekt Italienisch und Spanisch spricht, ist im Neandertal, vor den Toren Düsseldorfs heimisch geworden. In einem Haus, das von Italienerin mit aufgebaut wurde (nachzulesen in Teil 1 der „therapeutischen Runde“) und nicht nur seine eigene, sondern auch die Geschichte der Landschaft und des benachbarten Flüsschens erzählt. Nach der Sanierung will Caterina Klusemann wieder Filme drehen. Wer weiß: Vielleicht kommen in einem ja irgendwann auch die Düssel und das Neandertal vor.

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Auf der Auto-Rückfahrt in die Stadt kommt mir – dem Esoterik-Muffel – noch eine esoterisch anmutendem Schlussfrage zur heutigen Etappe in den Sinn: Wenn die Düssel in der Lage wäre zu kommunizieren: In welcher „Sprache“ würde sie Caterina und ihrem „Toskana-Landhaus“ einen Glückwunsch rüberschicken, wenn alles erfolgeich fertig saniert ist? Ein wohlwollendes Plätschern? Oder ein anerkennendes Gluckern? Oder … Nein, stopp, jetzt wird es zu kitschig. Mein bester Freund P. würde protestieren. Aber da P. heute nicht dabei ist und ich nun schon mal angefangen habe: Ich glaube, im Grunde genommen kann jeder die Düssel „sprechen“ hören, denn sie spricht weder Deutsch, noch eine andere Sprache. Man muss sich nur hier und da eine Weile an ihr Ufer setzen. Und lauschen. Die Fließmanieren sind überall unterschiedlich, münden in einen ganz eigenen Meditations-Soundtrack. Die Düssel plätschert und gluckert nicht nur. Sie sprudelt, sie rauscht, sie gurgelt, sie blubbert, sie murmelt, sie gluckst, sie spritzt, sie strömt, sie wogt, sie rinnt, sie schäumt, sie strudelt, sie braust, sie wallt, sie sickert, sie brodelt. Und vielleicht hat sie auch schon mal gepupst, als keiner in der Nähe war (P., der letzte Satz ist für dich!) …

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