Warum Seemonster immer neben der Düssel schwimmen / An welchem Düssel-Abschnitt man die Zeit nie vergisst / Und warum Düssel-Flanieren nicht vor Smartphone-Sucht schützen kann.
Ihr erinnert Euch (oder lest es hier nach): 300 Düsselmeter flussabwärts habe ich meinem dauernörgelnden Freund P. ein Schweigegelübde abgerungen – bis zu den berühmten Uhren am Volksgarten soll es halten. Ein Spiel unter großen Jungs, P. geht drauf ein. Nun folgen wir dem Spazierweg am Düssel-Ufer, das in diesem Abschnitt von schweren Steinen gesäumt wird. Ein riesiger Baum neigt sich halb über den Fluss, dabei zeigt er Richtung Turu-Parkplatz.
Turu, genauer gesagt Turu 1880, ist P.´s alter Fußballverein, ich dagegen war bei Tusa 06, noch etwas weiter im Süden Düsseldorfs, und immer wenn wir in der D- oder C-Jugend gegeneinander gespielt haben, hat Turu gewonnen – oft haushoch, selten knapp. Einmal, Mitte der 80er, haben meine Tusa-Jungs und ich ein 0:0 erreicht, für uns wie ein Sieg.
P. schaut mich an und grinst, ich grinse zurück. Vermutlich denken wir beide gerade daran, dass ich P. kurz vor Ende des 0:0-Spiels so in die Beine gegrätscht habe, dass der Schiri mich fast vom Platz gestellt hätte. P. zeigt Richtung Fußballplatz, dann zeigt er auf mich und macht ein „Daumen runter“-Zeichen.
Ich winke ab, sehe gerade andere „Probleme“ auf mich zukommen. Vor dem Eingang zum Turu-Platz, kurz vor dem Seemonster-Kunstwerk, verschwindet die Düssel (wieder mal) in einer Röhre (die Vermesser von Google-Maps haben an dieser Stelle wohl gerade gepennt). Um ihr zu folgen, müssen wir eine Straße überqueren, die alles andere als grammatikfreundlich ist.
„Schreibt man Wir überqueren Auf´m Hennekamp oder Wir überqueren den Hennekamp?“, frage ich.
„Scheiß egal“, sagt P. „Schreib doch einfach Wir überqueren die Straße! Aber sonst hast du keine Probleme, oder? Übrigens hast du jetzt, 50 Meter vor dem Ziel, selbst dein Schweige-Gebot gebrochen.“
Wir erreichen die Uhreninstallation am Eingang des Volksgartens, zwei Dutzend nebeneinander aufgereihte Uhren – vermutlich eines der meistfotografierten Motive der Stadt.
„Entschuldigen Sie, könnten Sie mir wohl sagen, wieviel Uhr es ist“, fragt mein bester Freund P.
„Keine Ahnung“, sage ich. „Habe keine Uhr dabei.“
„So, und jetzt raus mit der Sprache“, sagt P. , während wir vom Zeitfeld Richtung Düssel schlendern. „Was regt dich auf?“
„Dass ich in meiner Facebook-Timeline immer mehr Quatsch auftaucht. Alles Mögliche wird geteilt oder geliked– ohne auf die Quelle zuachten.“
Zum Beispiel?“
„… eine Facebook-Seite Gegen Kindesmissbrauch. Das grottenschlecht-plumpe Layout macht viele Leute offenbar gar nicht stutzig, und wenn man das dann googelt merkt man schnell, dass die NPD dahintersteht. Mal ganz abgesehen von den unsäglichen Verschwörungstheorien zum Absturz der Germwanwings-Maschine. Oder gerade vor ein paar Tagen: Eine Warnung vor Osteuropäern, die in Krefeld angeblich darauf aus waren, Kinderwagen samt Kindern zu klauen. Schon in der ersten Zeile steht: !!!!Mamis passt auf Eure Kinder auf!!!! Als ob so eine mit Ausrufezeichen auf Empörung gebürstete Headline seriös sein könnte. Trotzdem wurde der Beitrag tausendfach geteilt, auch von mir bekannten Leuten, denen ich eigentlich etwas mehr Reflektion zugetraut hätte.“
„Liegt alles an den Smartphones“, sagt P. „Klicken geht schneller als denken. Da löst manchmal schon kurzes Schlagwort ein Gefällt mir aus.“
„Wo wir gerade dabei sind“, beginne ich. „Ich befürchte, ich bin Smartphone-süchtig. Ich schaffe es einfach nicht, das Scheißding abends auszumachen. Dabei sollte ich mich nach Feierabend lieber hundertprozentig um meine Familie kümmern. Klar, zwischendurch lege ich es zur Seite, aber ich linse immer wieder mal drauf, checke ob neue Mails eingegangen sind und was sich bei Spiegel Online so tut. Selbst kurz vor dem Schlafengehen und nach dem Aufwachen schaue ich drauf.“
„Das Problem habe ich momentan nicht“, sagt P. „Wenn ich von der Arbeit nach Hause komme, schlafen meine Töchter schon. Aber ich habe einen Tipp für dich.“ Er blickt auf seine Armbanduhr. „Den verrate ich dir aber erstbei der nächsten Etappe. Genug für heute, ich muss zurück ins Büro. Nächste Woche hier an der Brücke?“
„Ich und mein Smartphone – wir freuen uns auf dich!“