Die Juni-Folge der Zeitungskolumne zu diesem Blog machte sich auf die Suche nach den fünf kürzesten Straßen Düsseldorfs – und führt womöglich zu einer Straßenumbenennung.
Wie man die fünf kürzesten Straßen der Stadt entdeckt und dabei als Fahrrad-Flaneur im Zick und Zack dem Ziel entgegenfährt. Eine pedalierende Entdeckungsreise – mit Plan, ohne App. Darum ging es in der Kolumne Nr. 12, die dieses Blog in der Westdeutschen Zeitung Düsseldorf begleitet.
Leider blieb keine Zeit alle Straßen Düsseldorfs höchstpersönlich abzumessen, also griff ich auf die Angaben der freundlichen Mitarbeiter des Amts für Verkehrsmanagement zurück.
Die „Top“ 5: der kürzesten Straßen (Extra-Fotos, die nicht in der WZ zu sehen waren)
- Speckmannweg, Stockum, 36 Meter
- Flachsmarkt, Gerresheim, 46 Meter
- Marktstraße, Altstadt, 47 Meter
- Emma-Horion-Weg, Altstadt, 52 Meter
- Dagobertstraße, Bilk, 52 Meter
Welche Straße ist wirklich die kürzeste?
Schon kurz nach der Veröffentlichung gab es Rückmeldungen: Leser nannten zwei Straßen, die noch kürzer als der Speckmannweg und somit die eigentlichen „Sieger“ der Kurze-Straßen-Hitparade seien.
Kandidat Nr. 1: Der Scheidlingsmühlenweg in Düsseldorf-Wersten
Eine Leserin schrieb: „Mir fehlt in der Liste der Scheidlingsmühlenweg in Wersten. Der dürfte doch nicht länger sein als die Dagobertstraße. Zwei Häuser und die Rückfront von dem jahrelang umgebauten Haus. (…) Der Scheidlingsmühlenweg ist noch nichtmal asphaltiert. Im optischen Vergleich ist es eher Hinterhof und hat nicht wirklich Straßencharakter. Vielleicht deswegen.“
Eine Nachfrage beim Amt für Verkehrsmanagement bestätigte die Annahme, dass der Scheidlingsmühlenweg offiziell nicht als Straße gezählt wird. Grundsätzlich gehe es dabei immer um die Frage, wie die Länge einer Straße bestimmt werden könne:
„Da wir ein sogenanntes Knoten-Kanten-Modell in unserer Straßendatenbank haben, wird jede Straße über eine Achse abgebildet und deren Länge hiermit bestimmt. Hierbei ist der Knotenpunkt für die Kante in der Mitte der kreuzenden Straße, so dass die Länge gegenüber der Realität eventuell etwas abweichen kann. Beim Scheidlingsmühlenweg ist es so, dass sich hier im Anschluss an die befestigte Straßenfläche noch eine unbefestigte in städtischen Eigentum befindliche Fläche anschließt, über die ebenfalls die o.g. Achse weitergeführt wird und sich somit die Gesamtlänge aus befestigter und unbefestigter Straßenfläche ergibt.“
Kandidat Nr. 2: Das Beginengässchen in Düsseldorf-Gerresheim
Hier schrieb Leser Charles Manes dann gleich auf Düsseldorfer Platt (hier ein Express-Artikel über ihn), was dem Schreiben über den Inhalt hinaus Entertainment-Charakter verleiht. Denn wer weiß schon, was „doppelt virengeprüft“ im örtlichen Dialekt heißt!? Daher sei hier (mit Genehmigung des Autors) einen Ausschnitt zitiert:
„Leewe Bastes Brück,
Üere Berecht en de WZ vom letzde Friedach, dr 14. des Mond för öwer „de fönf köhzesde Stroße en Düsseldörp“ wor jo janz entressang. Äwwer dä jövt doch Anloss zo e paah Anmerkonge. (…)
De köhzesde Stroß es nämmech nit dä Speckmannswäch en Stockem, för dä Ehr öwrijens rechtich anjemerkt hat, dat de schon zo Lävziede vom Namensjäwer, däm alde Dechter Didi Speckmann so benannt wohde es. Sojet kannte mr domols nor von Nazibonze. Ach jo, dä wor jo och so eene. Deswäje künnt onse Owerbörjermeester jo mol en Ömbenennong veranlosse, Doför kritt de jode Thomas Jeisel och en Koppie von die Mail hee.
Noh minn Kenntnesse als alde Düsseldörper es de köhzesde Stroß dat Bejinejässke (Beginengasse) en Jerresheem. Et verlöppt vom Jerrikus-Plätzke (Gerricus-Platz) zom Alde Maht (Alter Markt) on es mar so 2wanzich Meterkes lang. Dat Jässke es mar so 100 m vom Flachsmaht fott, wo Ehr jo ohnehen schonn wort. Domet Ehr Üch äwwer ne Beld dovon mache künnt, donn ech Üch e paah Fotos vom däm Strößke dobei. Fohrt nohmol dohen on doht selvs messe, wie lang dat Jässke jenau es. Deelt dat dann Üere Läser, dem Amp on och mech met. Schöne Dank em Vörrus. (…)
Nix för onjot.
Üere
Steins Charle-Manes
4 Anlare
(dubbelt vire- on wörmjepröft – on de Mail hee wohd jeschreewe met öweltfröndleche Bio-Tent.)“
Aus dem Amt für Verkehrsmanagement erhielt ich dazu folgende Info:
„Für das Beginengässchen ergibt sich eine Länge von 32 m, allerdings ist sie bei der Vorfilterung nach „tatsächlichen“ Straßen aus der Ergebnisliste herausgefallen, da es sich hierbei nicht um eine befahrbare Straße handelt.“
Eventuell komme angesichts der Breite von nur 2,44 Meter der Titel der schmalsten Straße bzw. Gasse Düsseldorfs in Frage. Falls kein Leser eine noch schmalere Straße findet …
Alles geklärt soweit. Ach ja: Die Stadt hat Charles Manes inzwischen in Sachen Speckmannweg geantwortet. Der Speckmannweg stehe auf der Prüfliste für Straßen, bei denen eine Umbenennung in Frage komme. Der zuständigen Kommission gehören der Leiter der Mahn- und Gedenkstätte sowie der Leiter des Stadtarchivs an. Zur Erinnerung: Düsseldorfs „offziell“ kürzeste Straße ist 1938 nach dem „Heimatschriftsteller“ Dietrich Speckmann benannt worden. In seinem Wikipedia-Eintrag ist zu lesen, dass er im Oktober 1933 zu den 88 (passender könnte die Zahl nicht sein!) Schriftstellern gehörte, die ein Gelöbnis treuester Gefolgschaft für Adolf Hitler unterzeichneten.
Wenn es um Straßenumbenennungen geht, zitiere ich gerne einen Kommentar aus dem Berliner Tagesspiegel, in dem es um eine Debatte über Straßen mit Namen von Kolonialisten geht:
„(…) Straßennamen sind mehr als Orientierungshilfen. Sie zeugen vom Zeitgeist und den darin herrschenden Ehrungsbedürfnissen. Kein Bewohner des Afrikanischen Viertels wird der Kolonialzeit nachtrauern, wenn er sich gegen die Straßenumbenennungen wehrt. Eine Umwidmung der Namen würde das Problem zwar lösen, aber eben auch nur durch eine Art Schlussstrich. Zur deutschen Geschichte gehören Kolonialismus und Rassismus, Antisemitismus und die vom DDR-Regime begangenen Verbrechen. Eine erinnerungspolitische Stunde null gibt es nicht – und sollte es nicht geben.“
Schwieriges Thema. So gibt es in Düsseldorf ja auch einen Martin-Luther-Platz sowie eine Wagnerstraße, und Martin Luther war ebenso ein Antisemit wie Richard Wagner. Beide waren indes ohne Zweifel zeitgeschichtlich bzw. künstlerisch wegweisende Persönlichkeiten. Was man über den „Heidedichter“ Dietrich Speckmann ja eher nicht sagen kann …
Jedenfalls: Wenn Straßennamen frei würden, so habe ich schon in Folge Nr. 1 der Kolumne zum Blog auf einen passenden Kandidaten hingewiesen: Den von weltberühmten Musikern wie David Bowie verehrten, aber in seiner Heimatstadt Düsseldorf eher mäßig bekannten Musiker Klaus Dinger, ehemaliger Schlagzeuger bei Kraftwerk und Gründer der einflussreichen Krautrock-Bands NEU! und La Düsseldorf. Dinger starb 2008. Eine Klaus-Dinger-Straße – das würde gut passen. Weht doch seit einiger Zeit erfreulicherweise ein popkultureller Wind durch die Flure des Düsseldorfer Stadtmarketings. Eine Klaus-Dinger-Straße würde definitiv zum „Pilgerort“ für deutsche und internationale Musikfans – und wäre ein Star auf Instagram …