(#34) Kleinstadt-Kurvenstar

in Erkrath/Neandertal/Natur

Was der Düssel-Unterschied zwischen einem Riesendorf und einer Kleinstadt ist / Wie mein bester Freund P. zum Sonnenstrahleinfänger avanciert / Und wie der Aldi-Äquator keine Schatten vorauswirft.

Das letzte Mal 2016. Je weiter wir raus aus der Stadt müssen, desto öfter reisen wir gemeinsam an. Zu Fuß, als Klapprad-Coolio oder gar mit dem Longboard – das war einmal. Inzwischen brauchen wir von unseren Wohnorten im Düsseldofer Süden aus bis zu den angepeilten Düssel-Abschnitten rund zwanzig Autominuten.

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Ecke Morper Allee / Maximilian-Weyhe-Straße. Der Beginn der heutigen Etappe – ausnahmsweise am späten Morgen angetreten – bietet Kontraste. Links von uns: Konforme Erkrather Hochhausfronten. Rechts von uns: Die plätschernde Düssel, sich gar nicht konform windend. Erkenntnis: In Düsseldorf zwingt die Stadt unser Flüsschen weitgehend dazu, sich der Stadtplanung anzupassen. In Erkrath passt sich die Stadtplanung  weitgehendan den Verlauf unseres Flüsschens an. Seit Gerresheim erleben wir die Düssel bei unseren Stromaufwärts-Etappen  so, wie sie wirklich sein will: Kurvenreich, naturbelassen, zugewachsen – und keineswegs begradigt oder gar verrohrt. Riesendorf vs. Kleinstadt …

Da, wo die Sonne noch nicht hingekommen ist, bedeckt Raureif den Boden. Wir sehen ein Schild am Düsselufer: „Gewässerkreuzung“. Wer hier wen kreuzt? Keine Ahnung … Wer mehr weiß: Bitte auf der facebook-Seite zum Blog kommentieren! 🙂

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Vor zwei Minuten haben wir geparkt, sind ausgestiegen. Mein bester Freund P. hat ohnehin ganz andere Dinge im Kopf, schaut genervt: „Jetzt hat  dieser Möchtegern-Blogger schon wieder öffentlich behauptet, er hätte uns erfunden – diesmal sogar bei einer Lesung. Dabei hatten wir ihn nur gebeten, seinen Namen ins Impressum zu schreiben, weil ein Blog ohne Impressum nicht erlaubt ist und weil wir selbst anonym bleiben wollten.“ Er macht eine abfällige Handbewegung. „Und jetzt frage ich dich noch mal: Gibt es uns, oder gibt es uns nicht?“

Dem Ironie-Fetischisten P. ist klar, dass mir klar ist, dass er übertreibt – aber ein Bisschen sauer ist er wirklich. „Spring doch mal ins Wasser“, rate ich. „Dann weißt du Bescheid … Und außerdem: Lass ihn doch! Hauptsache, der macht PR für unser Blog.“

Schweigend folgen wir der Düssel entlang der Hochhausfront. Einer der Parkplätze liegt sehr nahe am abschüssigen Ufer. „Das erste Highlight heute“, sagt P. und zeigt sein typisches P.-Grinsen, „der Düsselnahste Parkplatz der Welt.“

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P. schießt mit seinem iPhone mehrere Fotos – und zeigt sie mir: „Schau mal, ich habe einen neuen Job – Sonnenstrahleinfänger.“

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Die MaximilianWeyhe-Straße verläuft der Düssel angepasst in einem langen Bogen – und endet in einer Sackgasse, zumindest für Autos. Fußgänger könnten sich hier auf einer Sitzgarnitur niederlassen – oder dem Henschesgässchen über eine Düssel-Brücke folgen.

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Vorbei an einem Anti-Enten-Füttern-Schild nähern wir uns der Brücke. Als wir sie betreten, wissen wir, dass das Schild „Vorsicht Rutschgefahr“ seine Berechtigung hat.

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Ein Brücken-Blick flussabwärts:

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Ein Brücken-Blick flussaufwärts:

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Die Morgensonne blitzt durch die Bäume, die Bäume spiegeln sich auf der sonnenbeschienenen Wasserfläche. Perfekte Bedingungen für meinen besten Freund P., den selbsternannten „Sonnenstrahleinfänger“ …

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Am Düssel-Ufer entlang kommen wir nicht weiter. Ein Zaun! Und Privatgelände. Also: Das Henschesgässchen entlang, bis zur Ecke Morper Allee. Dann in die Freiheitsstraße einbiegen, aber nicht rechts Richtung Toni Turek, wie beim letzten Mal, sondern links. Wir passieren einen Schulhof und eine mit Stadtwerke-gesponserter Streetart verzierte Mauer – bis zu einem Straßenschild, das uns zweifellos den Weg weist: Am Düsselufer. So heißt die Straße, die ein reihenhausiges Neubaugebiet erschließt.

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Google Maps verrät, dass einige der Häuser direkten Düssel-Zugang haben müssten. Raus aus dem Neubaublock, hin zu unserem Flüsschen. Über die Düsselstraße, wie passend! Schon von weiten erkennen wir eine dunkelrote Brücke. Zwischenfazit: Andere Stadt, anderes Brückendesign. Diese Erkrather Eisen-Version gefällt uns jedenfalls ziemlich gut.

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Wir könnten nun zurückgehen zum Auto, denn auf der anderen Düssel-Seite führt ein Spazierweg flussabwärts:

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Wir könnten dort aber auch noch eine Weile flussaufwärts flanieren:

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Wir entscheiden uns für die zweite Möglichkeit. Kommentar von P.: „Wir sind doch keine 500-Meter-Flaneure!“  Als er noch ein paar Fotos von der Brücke macht, entdeckt er einen Aufkleber. Rund um eine behandschuhte Stinkefingerfaust ist zu lesen: „Antifa bleibt Handarbeit: Gegen Nazi-Hooligans und religiösen Fundamentalismus“.

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Migrantionshintergrundler P. , der im Verlauf dieses Blogs, von einem weiteren Antifa-Aufkleber inspiriert, der Antifa bereits eine gewisse Doppelmoral attestiert hat, ist positiv überrascht: „Das hätte ich denen gar nicht zugetraut!“

„Denen?“, frage ich. „Muss man das nicht ein bisschen mehr differenzieren? Ist schließlich kein eingetragener Verein, diese Antifa.“

„Ortsgruppe Erkrath“, sagt P., ironisch wie eh und je, aber da ist noch ein Unterton, der zeigt, dass das Thema eine gewisse Wut, ja gar Aggression in ihm auslöst: „Tendenziell galt bei Antifa-Aktivisten und bei vielen anderen Antifaschisten bisher meines Wissens immer, dass sie auf dem islamistischen Auge ziemlich blind sind. Nach dem Motto: Den NPD-Stand in der Fußgängerzone platt machen, aber die Salafisten-Arschlöcher von LIES! ein paar Meter weiter gewähren lassen. Weil ist ja Religion, und so …“

„Wollten wir nicht die Politik raus lassen aus dem Blog“, sage ich. „Genauso wie Religion. “

„Ach komm, jetzt hör mal auf, du Muschi!“

„Wollten wir nicht auch Sexismus aus diesem Blog raushalten und uns generell von Gewalt distanzieren?“, lege ich nach und muss lachen.

P. gibt sich unbeirrt: „Solange sich Antifaschisten in Deutschland mehr über Hooligans gegen Salafisten aufregen als über Salafisten selbst, haben sie ein Problem. Die sollen sich gefälligst gegen alle Extremisten gleichermaßen wenden!“

„Und dieser Aufkleber hier gibt dir die Hoffnung, dass zumindest die Antifa umdenkt?“

„Könnte sein, denn es ist ja wohl klar, dass die Antifa-Handarbeit gegen religiösen Fundamentalismus sich nicht auf die abgedrehten Zeugen Jehovas oder auf irgendwelche erzkonservativen, aber harmlosen Freikirchler bezieht.“

„Zumindest hier am Erkrather Düssel-Ufer kann ich vermelden: Weder Nazis, noch Salafisten in Sicht!“, sage ich spöttisch. „Thema beendet?“

P. zeigt mir den Stinkfinger, und wir wenden uns wieder unserem Flüsschen zu: Auf dem Spazierweg flussaufwärts spazierend. Vorbei an einer Schule. Zwischenfazit: Offenbar haben die Bäume in Erkrath – anders als in Düsseldorf – die Lizenz zum Über-den-Fluss-Wachsen …

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Nach der Reihenhausidylle passiert der Spazierweg nun Neubauten im Bauhausstil.

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Dann macht die Düssel eine scharfe Kurve. Am anderen Ufer schimmern die Plätze eines Tennisvereins durch die Bäume, dem Tennisclub Blau-Weiß Erkrath 1955 e.v., wie Google Maps verrät.

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„Wie viele Bälle hier wohl schon in die Düssel geflogen sind im Laufe der Jahre“, sagt P. “Und ob es einer bis zum Rhein geschafft hat?” Er macht ein weiteres Sonnenstrahl-Foto:

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An der Bismarckstraße beschließen wir, die heutige Etappe zu beenden.

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Ein paar Fotos von der Über-die-Düssel-Brücke geschossen – und zurück: Zunächst denselben Weg, den wir gekommen sind, und dann, ab der roten Brücke Höhe Düsselstraße, entlang der Reihenhausrückfronten.

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Ich komme ins Schwärmen: „Die Häuser hier haben alle direkten Düsssel-Zugang vom Garten aus. Ein Traum!“

P. bleibt nüchtern: „Eher traumatisch, wenn man Kleinkinder hat und dauernd in Angst ist, sie könnten in den Fluss fallen.“

„Weil der ja auch so tief ist“, sage ich.

„Weil ja auch noch nie ein Kind in flachem Wasser ertrunken ist“, sagt P. „Und weil die Düssel ja auch nie Hochwasser führt.“

„Okay, aber man kann ja wohl auf seine Kinder aufpassen“, sage ich. „Abet egal, ich werde mit 99-prozentiger Sicherheit sowieso nie in einem Haus
mit An-der-Düssel-Garten wohnen ….“

Noch ein paar Düssel-Gärten-Fotos, Sonnenstrahlen inklusive, dann ziehen wir weiter.

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Rechterhand kommen nun wieder Hochhausfronten in Sicht. Vor einer gesperrten Düssel-Brücke erblicken wir eine weitere einsame Sitzecke.

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P. guckt auf die Uhr: „Ich bin zwar vorweihnachtlich entspannt, aber das heißt nicht, dass ich heute keine Termine mehr habe.“

Während er Fotos von der Umgebung macht, fragt er: „Sonst keine weiteren Düssel-Themen zu besprechen zum Jahresausklang 2016?“

„Eigentlich nicht“, sage ich. „Aber vielleich könnten wir den netten Leserhinweis zu Toni Turek auf der Facebook-Seite zum Blog erwähnen, der nach der letzen Etappe eingegangen ist.“

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Direkt am Fluss entlang gehts nicht weiter. Also: Im ZickZack die Höfe zwischen den Hochhausschluchten durchschritten, nebenbei den Hubbelrather Bach, der hier in die Düssel mündet, abfotografiert, und dann ein Treppchen zur Neanderstraße erklommen und links abgebogen.

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Dort kurz vor einem großartigen Old-School-Hifi-Fachgeschäft stehen geblieben und gestaunt, die Straßennamenänderung (Düsseldorfer Straße) „mitgenommen“.

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Neben dem Arcadia-Hotel ein Rheinische Post-Grafitti entdeckt – und einen im Winter bierlosen Biergarten. In das Henschesgässchen eingebogen. Und schon sitzten wir wieder im Auto.

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„Bald beginnt 2017, und eigentlich wollten wir die Düssel-Quelle bis 2017 erreichen“, sagt P.

„Alter, wir sind eben Flaneure, keine Wanderer. Eines ist sicher: Wir sind noch vor der Eröffnung des Berliner Großflughafens Schönefeld an der Quelle.“

„Wusstest Du, dass wir bis zur Quelle noch zwei Autobahnen kreuzen werden – die A3 und die A535?“

„Ja“, sage ich.

„Wusstest Du, dass wir bis zur Quelle außerdem die Grenze zwischen ALDI Süd und ALDI Nord überschreiten
werden?

„Nein“, sage ich. „Aber das wäre doch mal eine spannende Blog-Idee, wenn wir mit der Düssel fertig sind: Die komplette Grenze zwischen ALDI Süd und ALDI Nord entlang spazieren. Von Filiale zu Filiale, einmal SÜD, einmal NORD, immer abwechselnd, immer den ALDI-Äquator entlang.“

„Na, dann brauchen wir uns ja keine Zukunftsorgen zu machen.“ P. rümpft die Nase – und startet den Motor. „ALDI-Flaneur!“ Er lacht gekünstelt. „Erkrath gehört jedenfalls noch zu ALDI Süd, und Wülfrath schon zu ALDI Nord.“

Wo genau dieser famose Discounter-Äquator verläuft? Ich frage unsere gute Freundin Wikipedia – und die verkündet:

(…)
Die Grenze zwischen Aldi Nord und Aldi Süd (auch Aldi-Äquator genannt) verläuft vom Westmünsterland über Mülheim an der Ruhr,  Wermelskirchen, Gummersbach (in Gummersbach gibt es Nord- und Süd-Filialen), Siegen (in Siegen gibt es Nord- und Süd-Filialen, weil die Autobahn 45 die Grenze bildet), Marburg, nach Osten bis nördlich von Fulda. Die neuen Bundesländer sind (bis auf eine Filiale im thüringischen Sonneberg, die aus Bayern beliefert wird) vollständig Aldi-Nord-Gebiet. (…)

„Das könnte man sogar ein Buch draus machen“, sage ich. „Am Aldi-Äquator. Eine Reise quer durch Deutschland – von West nach Ost, auf den Spuren von Aldi Nord und Aldi Süd. Oder so ähnlich …“

„Würde mich sehr wundern, wenn noch kein Verlag auf die Idee gekommen wäre“, brummt P.

Ich frage Google: P. hat recht, aber das sage ich ihm jetzt nicht …

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