Warum diese Blog-Folge nicht die letzte, sondern die vorletzte ist / Warum der höchste Hügel nicht immer die beste Aussicht hat / Und wo man einen Bierwerbespot hätte drehen können.
Wir könnten es schon heute schaffen“, sagt mein bester Freund P., als wir da aus dem Auto steigen, wo wir schon mal waren: am ehemaligen Kalkwerk in Schlupkothen. Was mein Begleiter meint: Wenn wir wollten, können wir die Mission, der sich dieses Blog gewidmet hat, innerhalb der kommenden Stunde erfüllen: Nach rund sechs Jahren und mehr als 50 Etappen entlang des bekanntesten unbekannten Flusses der Republik seine Quelle erreichen. Der rasante Endspurt einer Düssel-Begehung in Zeitlupe – von der Rhein-Mündung bis hierhin.
„Lass uns doch erst mal einen Abstecher zum Aussichtspunkt machen“, antworte ich, „und dann schauen wir weiter.“
Der Aussichtspunkt, den weder P., noch ich jemals besucht haben, liegt oberhalb eines renaturierten, mit Wasser gefüllten Steinbruchs. Um dorthin zu gelangen, folgen wir der Düssel bis zu der Ecke, wo wir bei der vorherigen Etappe umdrehten, parallel zum Gelände des Ex-Kalkwerks („Kommunikationscenter“).
Dort: Kurz über eine asphaltierte Regenwasserrinne zum Flüsschen durchgeschlagen, das hier zum ersten Mal auf unserer Tour so richtig schmal, fast schon mickrig aussieht, eingebettet in Grüntonvielfalt. All das unterhalb der A535, die weniger als 50 Meter entfernt ist und an-ab-schwellend von sich hören lässt. Ein paar Fotos, dann geht es weiter.
Unser Flüsschen verläuft so gerade wie parallel zur Autobahn, und ein Smartphone-Check auf Google Maps offenbart, das der zwischen A535 und Düssel eingetragene Weg nicht (mehr) existiert. Einzige Weitergeh-Möglichkeit: ein Wanderweg, kurvig und leicht bergauf durch den Mischwald. Vorher noch ein paar schnelle Schritte ins Dickicht. Da, wo die Düssel noch näher am Weg entlang fließt. Nein, falsch: Sie fließt nicht. Kein Wasser zu sehen, wohl aber ein Bachbett. Oder wechselt sie die Betten? Merkwürdig. Es hat doch eben noch geregnet.
Hundert Meter weiter oben nähert sich der Weg wieder der Düssel, wir tasten uns zum Ufer vor. Ja, da ist Wasser. Abschnittsweise – mal mehr, mal weniger, mal so gut wie keines. Doch das Wasser fließt nicht, und wenn es doch fließt, dann kann man das zumindest nicht sehen. Ein bisschen trostlos wirkt das steinig-sandige Bachbett, das an diversen Stellen von umgekippten Bäumen oder herabgefallenen Ästen „besucht“ wird. Zwischendrin sind einige größere, zum Teil bemooste Steine zu erkennen.
„Wahrscheinlich ist die Quelle abgestellt worden“, sagt P.
Ich schaue ihn entgeistert an.
„Nee, im Ernst“, sagt er. „Ich meine mal gelesen zu haben, dass da so eine Art Becken über die Quelle gebaut wurde, und der Hahn wird nur zwei oder drei Mal die Woche aufgedreht. Oder so ähnlich …“
Wir gewinnen weiterhin dezent an Höhe, passieren linkerhand eine an den Hang geklebte Backsteinmauer, deren ursprünglicher Zweck sich nicht mehr erschließt, sowie einige Felsformationen. Die Düssel verläuft im unzugänglichen „Niemandsland“, unmittelbar an der Autobahntrasse.
Dann machen wir einen Fehler. Nein, falsch: Es ist nicht wirklich ein Fehler. Es ist ein unfreiwilliger Umweg: Links am Hang führt ein ziemlich offiziell wirkender Wanderweg steil den Hügel hinauf, und einfach gestrickt wie wir sind (oben = Aussicht), denken wir natürlich, es handele sich um den Weg zum Aussichtspunkt. Hätten wir uns ja gleich denken können, dass da was nicht stimmt. Schließlich leben wir in einem Land, wo an wahnsinng vielen Stellen gut sichtbar ein Schild steht, damit die Menschen den Weg finden oder etwas machen sollen oder etwas nicht machen sollen …
Einige von aufgeschichteten Steinen gesäumte Serpentinen weiter, auf einer Hochebene, müssen wir uns neu orientieren. Bestimmende Frage: Wo ist denn jetzt eigentlich dieser Steinbruch? Ein Blick auf Google Maps verrät, dass wir unten im „Tal“ einfach nur dem Hauptweg weiter geradeaus hätten folgen müssen und jetzt vollkommen woanders sind. Na ja, nicht vollkommen, aber dumm gelaufen ist es beziehungsweise sind wir schon. Zick und Zack schlagen wir uns quer durch den Wald, und ich würde mich nicht wundern, wenn das nicht mal erlaubt ist, obwohl nirgendwo ein Schild steht, dass es verboten ist. Jedenfalls erhaschen wir zwischen den Zweigen doch noch einen kurzen, wenn auch keineswegs „aussichtspunkttauglichen“ Blick auf den Steinbruchsee, aber weil mein bester Freund P. so genervt ist, vergisst er ein Foto davon zu machen …
Vorbei an einer Art Hausmeisterhaus, nein Quatsch, Försterhaus, zumindest irgendein Haus mitten im Wald, das aus irgendeinem Grund mitten im Wald steht. Vielleicht das ehemalige „Verwaltungsgebäude“ des Steinbruchs. Und schließlich landen wir wieder auf der Hauptroute.
„Das wird heute nichts mehr mit der Quelle“, sage ich, als wir vor einem Schild stoppen, welches das „Naturschutzgebiet Schlupkothen“ ankündigt.
Der durch Gitter gesicherte Aussichtspunkt, den wir kurz darauf über einige in den Waldbodenhang eingebaute Stufen erreichen, ist nicht mal der auf Google Maps eingezeichnete, sondern ein anderer, aber egal: Die Aussicht ist schön, sehr schön sogar. Kurzum: eine der schönsten Stellen, die wir auf den bisherigen rund 44 Kilometern entdeckt haben. Idyllisch-verwunschen, fast schon kitschig erstreckt sich der See tief unter uns. Okay, „kitschig“ war jetzt doch ein wenig übertrieben, es sei denn man käme abends als Paar hierher, wenn die Sonne unterginge und ließe dabei zwei bis vier Flaschen Schöner-Blick-Bier aufploppen.
„Man könnte sich glatt einen Krombacher-Bierwerbespot ausdenken und vor Ort aufnehmen“, sagt mein bester Freund P., auf eine Insel oder Halbinsel inmitten des Sees zeigend. „Eine Perle der Natur.“
„Du Klugscheißer willst, dass ich dich jetzt frage, wo der Krombacher-Spot tatsächlich gedreht wurde, oder?“, frage ich.
„Nix Kanada oder so“, sagt P. „Wiehltalsperre, gar nicht weit weg von hier!“
Wir spazieren noch ein wenig am Zaun des abgesperrten Steinbruchs entlang, und als wir über Stufen eine Anhöhe erreichen, halten wir uns rechts, nähern uns wieder der Autobahn – und somit der Düssel.
Schwuppdiwupp stehen wir vor der Unterführung, die uns auf die andere Autobahnseite bringt. Kurz hindurchspaziert, ein Foto gemacht – und wieder zurück. Die Stelle, wo die Düssel die A535 unterquert liegt indes etwas weiter südlich, versteckt im Wald.
Das Düssel-Flaneur-Finale folgt – beim nächsten Mal.
Ein schöner Beitrag! Ein toller Blog! Danke dafür!
Aber ihr müsst noch einmal auf, zu Etappe #56a! Die beeindruckendste Aussicht auf den Bruch habt ihr leider nicht „gefunden“ und dokumentiert. Hinter „irgendeinem Haus“, hättet ihr nicht rechts die Treppen zum Aussichtspunkt hinauf gesollt, sondern weiter geradeaus, den asphaltierten Weg entlang. Nur 100m… Der Blick von der Metallplattform, die hinab in den Hang gebaut wurde, ist atemberaubend (gegen die zauberhafte oben, die ihr besucht habt).
Hallo Katrin, danke für die Info und die netten Worte! Die Metallplattform holen wir beim nächsten Posting nach 🙂 Liebe Grüße