Wie wir Wuppertal-Hahnenfurth hinter uns lassen und auf die Düssel-Quelle-Zielgerade einbiegen / Warum Wülfrath den besten Ortsteilnamen Deutschlands hat / Und wie wir ein falsches Zebra treffen, das gerne Influencer wäre
Diesmal schießen wir bereits aus dem Auto die ersten Fotos fürs Blog. Also: Mein bester Freund P. macht das, denn ich muss ja fahren, und er macht ohnehin bessere Fotos.
Zick: Ein Foto der grünen Wiese vor der Düssel bei Wuppertal-Schöller.
Zack: Ein Foto des Ortsschilds von Hahnenfurth.
Hahnenfurth – das ist das nächste der von Wuppertal eingemeindeten Dörfer, an denen unser Flüsschen vorbeifließt. Wir erinnern uns, wo wir die Düssel bei der vorherigen Etappe „verlassen“ haben – und an unsere Vermutung, dass entlang des Ufers hier kein Durchkommen sein dürfte.
„Schau mal“, sagt mein Begleiter und zeigt aus dem Fenster, „ich glaube, das kommt man aber doch durch bei dem Pöller.“
„Nein“, antworte ich. „Ist ein Privatweg. Äh, Privatpfad …“
„Woher willst du das so genau wissen?“, fragt P.
„Düssel-Flaneur-Erfahrung“, sage ich, ein Bisschen ernst und ein Bisschen ironisch, weil ich mir nämlich gar nicht sicher bin, ob ich Recht habe.
Wir drehen also und fahren die Straße zurück, auf der Suche nach einem passenden Weg, der mehr oder weniger parallel zur Düssel verläuft. Im Vorbeifahren, kurz vor dem Parken erspäht: Ein so prächtiger wie abgerockter Altbau, der „Party-Räume mit Komfort“ zur Vermietung anpreist.
An der Ecke zum Hahnenfurther Weg, der nur für Anwohner befahrbar ist, weist uns ein Fahrradweg-Schild Richtung und Entfernung: Genau dieses Sträßchen müssen wir entlang spazieren, mehr oder weniger parallel zum Düssel-Verlauf, wenn auch zunächst in einiger Entfernung. Noch 2,2 Kilometer sind es bis Wülfrath-Düssel, dem deutschen Ortsteil mit dem eindeutig besten Namen.
Rechts: einige Häuser. Links: Felder. Ein Radrennfahrer überholt uns.
„Wie weit ist es eigentlich noch bis zur Quelle“, fragt mein bester Freund P.
Wir geben auf dem Smartphone Wuppertal-Hahnenfurth als Startposition bei Google Maps ein und die Düssel-Quelle bei Wülfrath-Blomrath als Ziel, so erhalten wir folgendes Ergebnis: Zu Fuß dauert die Strecke von eben hier aus 8,7 Kilometer bzw. 1 Stunde und 54 Minuten. Wobei solche Navis natürlich nicht den Weg messen, der am Ufer der Düssel entlang führt, sondern den schnellsten. In jedem Fall kommen wir langsam auf die Zielgeraden, aber wir sind ja auch „erst“ 2014 losgelaufen.
Eine Kurve. Pumuckl warnt Autofahrer auf einem Schild: „Achtung Kinder!“ Und so alt wie das Schild aussieht, könnte es sein, dass die Kinder, deren Eltern das Schild aufgestellt haben, längst selbst einen Führerschein haben.
Rechts sehen wir die Wiese mit dem Privatpfad, den wir nicht genommen haben, dahinter schlängelt sich die Düssel, und dort wo der Privatpfad auf den Hahnenfurther Weg trifft, liegen eine Bahntrasse und eine Baustelle.
Google verrät uns, was hier passiert: Ab Dezember soll die Regiobahn zwischen „Mettmann-Stadtwald“ und „Wuppertal Hbf“ durchfahren. Wer´s ganz genau wissen will: „(…) Der sogenannte Lückenschluss zwischen „Dornap-Hahnenfurth“ und dem Abzweig „Dornap“ (Einschleifung in die Strecke der S 9) wurde komplett neu gebaut, um damit den Betrieb der S 28 nach „Wuppertal Hbf“ zu ermöglichen.(…)“
Zur Kenntnis genommen und ab durch den Tunnel, vorbei an den Baggern. Dann wieder entlang einiger Wohnhäuser. Links wird es hügelig. Rechts sehen wir im „Tal“ das Düssel-Bett, von einer Baumreihe flankiert.
Ein Privatgarten mit direktem Zugang zur Düssel. Eine kleine Holzbrücke, auf der eine Katze döst. Anfang haben wir die Gärten mit Düssel-Zugang ja noch gezählt, waren begeistert, dass es so etwas mitten in Düsseldorf gibt (an der Bachstraße). Spätestens im Neandertal haben wir uns daran gewöhnt. Blau Tonne, grüne Wiese. Weiter.
Die Düssel macht eine scharfe Kurve, am linken Ufer ein weiterer privater Garten mit diversen Sitzbänken. Okay, wie gesagt: Wir haben uns daran gewöhnt. Aber dieser hier ist wirklich ein Höhepunkt.
Der Weg gönnt sich Kurven. Es geht ein Bisschen hoch und ein Bisschen runter, und dann stehen wir vor einer Badewanne, in der keiner badet und aus der keiner trinkt, aber das kann ja noch kommen.
Ein Jägerzaun. Am Horizont sehen wir ein Hochhaus und einen Fernsehturm. Mein bester Freund P. schaut mich fragend an. „Hast du Lust bei Google Maps nachzuschauen, wo das sein könnte?“
Ich schüttele den Kopf. „Du?“
Er schüttelt ebenfalls den Kopf. Dann sagt er: „In Zweifelsfall irgendwas mit Wuppertal“. Und dann spazieren wir weiter. Der Weg ist das Ziel.
Auf eine Pferdewiese mit Fachwerkhaus folgt eine Kreuzung. Wir biegen rechts ab, in den Dorfermühlenweg. Auf einem Schild steht: „Nach 250 m Düsselbach, keine Wendemöglichkeit“.
„Ich glaube, die meinen uns nicht“, sagt mein zweibeiniger Freund P., der nicht mal eine Pferdestärke hat, und dann freuen wir uns gemeinsam über das Wort „Düsselbach“, das früher – vermutlich lange bevor wir geboren wurden – auch in Düsseldorf gebräuchlich war und noch auf alten Stadtplänen zu finden ist.
Irgendwann wurde dann wohl „Düsselbach“ von „Düssel“ abgelöst. Vielleicht weil „Bach“ so gar nicht nach Großstadt klingt und weil die Gerne-Großstadt Düsseldorf trotz oder gerade wegen ihres Namens mit Bächen und Dörfern eher wenig zu tun haben will.
Die 250 Meter haben wir schnell zurückgelegt, und dann „vereinen“ wir uns mit unserem Flüsschen, das hier unter dem Dorfermühleweg hindurch fließt und sich unmittelbar danach mit einem weiteren, für uns namenlosen Bach vereint. Also: Natürlich vereinen wir uns nicht körperlich mit der Düssel, aber Monolo, P.´s so blinder wie vierbeiniger Terrier riecht das Wasser und macht einen Badeausflug bis zur Flussbett-Mitte.
Die Brücke ist aus alten Backsteinen, ebenso wie die angrenzende Uferbefestigung, und die Sonnenstrahlen suchen sich einen Weg zwischen Baumwipfeln hindurch, und das Licht, das dadurch entsteht – dieses „gebremste“ Licht auf fließendem Wasser – ist einfach nur schön.
Auch schön ist das Licht, in das die Birkenallee auf dem Dorfermühlenweg getaucht ist, als wir uns zurück auf den Weg zum Auto machen.
Als wir die Pferdekoppel passieren, fällt uns ein weißes Pferd mit schwarzen Sprenkeln auf, das direkt vor einem schwarz-weißen Fachwerkhaus steht. Man könnte glatt eine kleine Quatsch-Geschichte dazu schreiben. Etwa: Es war einmal ein falsches „Zebra“, das wollte sooo gerne fotografiert und Influencer werden. Aber es klappte einfach nicht. Dann kam dem „Zebra“ eine Idee: Es verglich sich mit dem Haus am Rande der Wiese und entdeckte Gemeinsamkeiten. Klar, es war nicht exakt der gleiche Stil, aber immerhin ein Bisschen. Eigentlich war das Haus sogar so, wie das falsche Zebra gerne gewesen wäre. Also posierte es fortan vor der Fassade, wann immer es möglich war. Wochenlang passierte nichts, bis endlich ein Doofer vorbei kam, ein Foto machte und hochlud …
Aber für so was haben wir keine Zeit. Am Schluss behält mein bester Freund P. recht: Auf den letzten Metern zum Auto beschreiten wir den Privatweg, und es stellst sich heraus, dass es gar kein Privatweg ist, sondern sogar ein Teil eines offiziellen Wanderwegs, dem der Sauerländische Gebirgsverein seinen Segen und eine Nummer (4) gegeben hat.
„Diese Sauerländer“, sagt P. „Keine Ahnung, wie das geschafft haben, ihr Wegenetz so weit über die Sauerland-Grenzen auszudehnen. Dabei haben die nicht mal ein richtiges Gebirge.“
„Ja, krass“, sage ich. „Ich habe bei meinem letzten Mallorca-Urlaub sogar einen Sauerland-Wanderweg in den Bergen dort gesehen. Echt jetzt!“
Und so endet die Etappe mit einer Lüge und frischer Bald-erreichen-wir-die-Quelle-Energie.
P.S. Wo wir schon mal da sind, besuchen wir unsere Lieblingsecke in NRWs meistunterschätzter Stadt: Luisenviertel, Wuppertal.
[…] bei der Vorab-„Besichtigung“ der geplanten Strecke auf Google Maps klar: Da, wo wir die Düssel beim letzten Besuch verließen, können wir ihrem Ufer nicht folgen. Also sparen wir uns die 200 bis 300 Meter und parken an der […]